Freie Presse, 11.06.2003
Die Pensions-Mathematik der Sozialministerin
Staatskanzlei errechnet Altersversorgung für Christine Weber und bestätigt indirekt Stichtag 27. Juli 2003 - CDU-Politikerin meldet sich krank
DRESDEN. Wie teuer dürfen eigentlich Politiker sein? Diese Frage stellte dieser Tage Ulrich Rudolph. Er ist Bauarbeiter, derzeit in Bad Elster. Mit seinen Kollegen verfolgt er die Berichte über den Fall von Sachsens Sozialministerin Christine Weber. „Überall wird gekürzt und gestrichen. Nur bei den Politikern nicht. Was hat denn die Frau Weber geleistet, dass sie jetzt diese hohen Ansprüche geltend machen kann? Die meisten Menschen, die Tag für Tag hart arbeiten und sich nie krank melden, erhalten nicht einmal 2000 Euro brutto", regt sich Rudolph auf.
Indes: Auch in der Staatskanzlei rechnen Experten und kalkulieren, zu welchem Zeitpunkt die Ministerin welche Ansprüche erwirbt. In einem Schreiben an die „Freie Presse" hat der Regierungssprecher Christian Striefler indirekt bestätigt, dass der 27. Juli 2003 so etwas wie ein Stichtag für die Sozialministerin Weber ist. Wenn sie an diesem Tag noch im Amt als Ministerin ist, sind ihre Altersbezüge, wie die „Freie Presse" schon berichtete, wesentlich höher als wenn sie vorher zurücktritt. Die Ministerin erwirbt nach drei Jahren und 273 Tagen im Amt einen Anspruch auf 43,05 Prozent ihres Ministergehaltes, das, wie Striefler auf Nachfrage bestätigte, in der Gehaltsgruppe B11 liegt und rund 9300 Euro beträgt. 43,05 Prozent wären rund 4000 Euro Ministerpension monatlich. Die Staatskanzlei verweist aber darauf, dass die Ministerin zugleich Landtagsabgeordnete ist und dass deshalb 50 Prozent ihrer Ministerpension ruhen würden. Sie ruhen aber nur so lange, wie Weber Abgeordnete ist. Tritt Weber also nicht vor dem 27. Juli zurück, erhält sie neben den rund 6000 Euro Diäten (4284 Euro Grunddiät plus 1806 Euro Freibetrag) ein Minister-Ruhegehalt in Höhe von rund 2000 Euro. Macht also rund 8000 Euro monatlich.
Wird Christine Weber unter anderem wegen der Querelen im September 2004 nicht wieder in den Landtag gewählt, was selbst CDUMitglieder für wahrscheinlich halten, dann ruht die Ministerpension natürlich nicht mehr. Sie lebt wieder auf, heißt es. Weber würde rund 4000 Euro monatlich kassieren. Diese Durststrecke mit „nur" 4000 Euro müsste sie allerdings lediglich drei Jahre lang durchstehen, nämlich bis zum 58. Lebensjahr. Dann greift die Altersentschädigung für Abgeordnete. Den Anspruch darauf hat Weber durch ihre zehnjährige Landtagstätigkeit erworben. Im Alter von 58 Jahren erhält sie 43 Prozent ihrer letzten Abgeordneten-Grunddiäten - macht 43 Prozent von rund 4300 Euro. Das sind unterm Strich rund 1800 Euro. Davon werden Weber dann rund 800 Euro zu ihrer Ministerpension gutgeschrieben. Sie erhält also, wenn sie bis einschließlich 27. Juli 2003 im Amt bleibt, in drei Jahren zwei Pensionen: Über 4000 Euro als dann ehemalige Ministerin und rund 800 Euro als dann ehemalige Abgeordnete. Rund 4800 Euro also, mit 58 Jahren. Hochgerechnet auf 20 Jahre kostet das, wie die „Freie Presse" zuvor schon errechnet hatte, den Steuerzahler eine Million Euro.
Wie wichtig es aus Sicht der Polit-Freunde von Weber ist, sie bis zu diesem 27. Juli 2003 im Amt zu halten, erkennt man an der Rechnung für den Fall, dass sie die Ziellinie nicht erreicht. Dann hätte sie nach Auslaufen des Übergangsgeldes, das laut Staatskanzlei bis November 2003 gezahlt wird, eine dreijährige Durststrecke bis zum 58. Lebensjahr zu überstehen. Bis zum Wahltermin im September 2004 könnte sie noch von den rund 6000 Euto Diäten leben. Tritt sie vor dem 27. Juli 2003 zurück und wird sie im September 2004 nicht wieder in den Landtag gewählt, dann müsste sie aufs Ersparte zurückgreifen. Denn Anspruch auf Altersentschädigung aus ihrer Landtagstätigkeit hat sie erst ab 58 Jahren, Ministerpension bekommt sie keine.
Die Zeit läuft. In 48 Tagen hat die Ministerin die Pension sicher. Oder doch schon eher? Geben die Paragraphen noch eine andere Lösung her?
Wie gestern bekannt wurde, hat sich Frau Weber krank gemeldet. Für solch einen Fall ist im Paragraphen 13 des Ministergesetzes vorausschauend bereits Folgendes geregelt: Ist ein Mitglied der Staatsregierung beim Ausscheiden aus dem Amt in seiner Gesundheit dauernd und so wesentlich beeinträchtigt, dass es zur Übernahme seiner früheren beruflichen Tätigkeit ... nicht mehr in der Lage ist, so erhält es auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen (drei Jahre und 273 Tage im Amt) Ruhegehalt. Maßgeblich für die Berechnung dieses Ruhegehalten eines ehemaligen Mitgliedes der Staatsregierung ist: laut Ministergesetz das „am höchsten eingestufte Amt". Bei Frau Weber wäre das das Ministeramt, das nach Bundesbesoldungsordnung (B11-Ost) und sächsischem Ministergesetz derzeit exakt mit 9318 Euro und 20 Cent monatlich vergütet wird.
Eva Prasse