Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 12.06.2003

Die 24 kleinen Fragen zu Frau W.

SPD-Landtagsabgeordneter droht mit Gang zum Verfassungsgerichtshof und empfiehlt Webers Entlassung
 
DRESDEN/ZSCHOPAU. „Einen Flutopferorden für kreative Nachbarschaftshilfe"' schlägt der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle für die geschädigte Sozialministerin Christine Weber und ihre Parteifreunde in sarkastischem Ton vor. „Kreative Nachbarschaftshilfe unter Partei-Amigos: Der Bürgermeister prüfte nicht, die Aufbaubank machte die Augen zu, der Innenminister wiegelt ab und der Ministerpräsident zeigt sich als entscheidungsunfähiger ,miserabler Politiker', kraftlos, ohne Visionen. Zschopau und die Partei stehen Kopf. Milbradts Freunde im Kabinett sind schwach und die Starken sind nicht seine Freunde…”

Mit diesen Worten skizziert Nolle die Verfassung, in der sich das Milbradt-Kabinett derzeit präsentiert. Doch Nolle belässt es nicht bei den Schlagworten, sondern er handelt. So stellte er gestern Strafanzeige gegen die Ministerin und den „Amigo: OB Klaus Baumann", wie Nolle sagt. Und er macht auch von seinem Fragerecht als Abgeordneter Gebrauch. Nolle hat fünf „kleine parlamentarische Anfragen" an die Staatsregierung gestellt. Insgesamt 24 Fragen, eine pikanter als die andere. So will Nolle etwa wissen, in wie vielen Fällen im Freistaat und im Mittleren Erzgebirgskreis Fördermittel ausgereicht wurden, die der Beseitigung von Schäden dienten, die nicht dem Schadensbegriff gemäß dem Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums des Innem vom 25. Oktober 2002 entsprachen. Schäden, die also durch Schichtenwasser, Wasseransammlungen durch Niveaugefälle, in Folge von Starkniederschlägen übergelaufene Kanalisationen oder durch Oberflächenwasser verursacht waren. Im Klartext: Bekamen auch andere Bürger so eine Unterstützung wie die Ministerin?

Auch will Nolle beantwortet haben, wie Weber private Angelegenheiten im Ministerbüro erledigt und vor allem abgerechnet hat. Wie viele Faxsendungen privaten Inhalts wurden vom Büro der Staatsministerin Weber seit deren Amtsantritt versandt? Nolle meint hier etwa Faxe, wie den Fluthilfeantrag der Sächsischen Aufbaubank, den das Büro Weber am 1. Oktober 2002 an den Oberbürgermeister von Zschopau geschickt hat. Besteht überhaupt die technische Möglichkeit, solche Sendungen als Privatsendungen abzurechnen? Wurden alle privaten Faxsendungen aus dem Büro der Staatsministerin Weber als solche abgerechnet?

Auskünfte verlangt Nolle desweiteren zu der Tatsache, dass die Ministerin und Landtagsabgeordnete ihr Wahlkreisbüro direkt im Landratsamt Marienberg untergebracht hat. In welcher Höhe hat Frau Weber jeweils Miete, Nebenkosten und Telefonkosten seit 1995 tatsächlich gezahlt, nach Jahren? Wie hoch sind die Frau Weber durch den Kreis in Rechnung gestellten Fotokopierkosten seit 1995, nach Jahren? In welcher Höhe hat Frau Weber seit 1995 tatsächlich Fotokopierkosten bezahlt, nach Jähren? So und so ähnlich lauten die zwei Dutzend Fragen Nolles.

Er ist sich nicht nur der Brisanz seiner Fragen, sondern auch seiner Rechte bewusst. „Die Anfragen sind ein politisches Instrument der Aufklärung". Und die scheint nicht nur ihm im Falle der Ministerin dringend geboten. Während die Staatsregierung auf ähnlich lautende Journalistenfragen nur ausweichend antwortete, muss sie nun innerhalb von vier Wochen Nolles 24 Fragen klar beantworten. „Und zwar wahrheitsgemäß und vollständig", kündigt Nolle für den Fall lückenhafter oder falscher Antworten den Gang vor den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen an.

Insgesamt empfiehlt Nolle die Entlassung der offensichtlich überforderten Ministerin, damit die politisch angeschlagene Staatsregierung nicht noch durch einen Krankheitsfall zusätzlich belastet werde. Dieses Kabinett habe nicht so viele Ressourcen, dass ein so wichtiges Ressort wie das Sozialministerium noch längere Zeit kopflos bleiben könne. Bei mehr als 450.000 Arbeitslosen und einer gleichen Zahl von Sozialbedürftigen im Land sei das der Bevölkerung nicht zumutbar, sagt Nolle.

Die Ministerin, die noch 47 Tage im Amt sein muss, um Anspruch auf rund 4000 Euro Ministerpension zu erhalten, könne auch während ihrer Erkrankung aus dem Amt entlassen werden. Nolle: „Sie ist ja kein Arbeitnehmer, sondern bekleidet ein hohes politisches Amt. Wer dem nicht gewachsen ist, muss gehen."
(Eva Prase und Hubert Kemper)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: