Agenturen, dpa/sn, 17:05 Uhr, 16.06.2003
Hinter den Kulissen: Ersatz für suizidgefährdete Ministerin gesucht
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Regierung steht wegen der mit Rücktrittsforderungen konfrontierten Sozialministerin Christine Weber (CDU) unter diffizilem Druck. Die Staatskanzlei äußerte sich am Montag zum zweiten Mal offiziell zum Gesundheitszustand von Weber, die am Pfingstsonntag einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Weber ist demnach akut suizidgefährdet. Sie muss längerfristig stationär behandelt werden, hieß es. Zur möglichen Dauer wollte sich an der Spitze der Regierung niemand äußern.
Intern heißt es: «Es sieht ernst aus.» Ernst mit der Gesundheit Webers, ernst aber auch mit der politischen Zukunft der Ministerin. Hinter den Kulissen läuft bereits die Suche nach einem Nachfolger für die nun streng abgeschirmte Sozialpolitikerin, verlautet aus der CDU. Dies müsse jedoch sehr sensibel vonstatten gehen. Denn Weber habe den Freitod ihres Mannes vor vier Jahren nie verkraftet und sei daher ohnehin sehr labil. Zum Zweiten verweisen die Agierenden auf den Freitod des früheren FDP-Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann: «Es ist Zurückhaltung angebracht!»
Seit zwei Wochen wird in Sachsen spekuliert, wie lange Weber wegen umstrittener Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr noch in der Regierung zu halten ist. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) steht offiziell hinter der einzigen Frau an seinem Kabinettstisch und hat eine Entlassung der 54-Jährigen ausgeschlossen. Ihm geht es jetzt zunächst um Beistand in der Stunde der Not, da Weber im Krankenhaus liegt. Weber wurde vorerst jeglicher Kontakt zum Arbeitsumfeld und zu den Medien untersagt, heißt es in einer Mitteilung der Staatskanzlei ausdrücklich.
Die Ruf nach Zurückhaltung richtet sich ausdrücklich an die Medien, die in den vergangenen Wochen immer wieder die Fluthilfen für die Ministerin thematisiert hatten. Weber wurden trotz unklarer Rechtslage insgesamt 17 349 Euro zur Schadensbeseitigung an ihrem Privathaus zugesprochen, obwohl sie keinen Flut-, sondern einen Regenwasserschaden erlitten hatte. Besonders umstritten ist ein im April dieses Jahres beantragter Nachschlag von mehr als 7000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt war eindeutig klar: Regenwasserschäden fallen nicht unter Fluthilfe. Die Gelder hätten weder beantragt noch bewilligt werden dürfen. Weber wird vorgehalten, sie habe zumindest beim Folgeantrag wider besseres Wissen gehandelt.
Weber selbst hatte kurz vor ihrem Nervenzusammenbruch einen Rücktritt kategorisch ausgeschlossen und bereits ausgezahltes Geld zurück gegeben. Dennoch verstummten die Rücktrittsforderungen nicht, die Rückzahlung wurde vielmehr als Schuldeingeständnis gewertet. Intern ist unterdessen auch das Krisenmanagement in der Kritik. Weber hatte die Rückzahlung erst angekündigt, nachdem der bewusste Nachschlag in einer Pressekonferenz fast beiläufig bekannt wurde. Nun heißt es, dass im Kabinett niemand von Webers angeblichem Flutschaden wusste. Die Kollegen hatten nur für Wissenschaftsminister Matthias Rößler Geld gesammelt, dessen Haus überflutet worden war, bestätigte Regierungssprecher Christian Striefler am Montag der dpa.
(Von Petra Strutz, dpa)