Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 17.06.2003

Paunsdorf-Affäre: CDU-Mehrheit spricht die Regierung frei

Ausschuss vor dem Ende / SPD sieht "Amigowirtschaft"
 
Die Paunsdorf-Affäre, die seit zehn Jahren auf unterschiedlichen Ebenen in Sachsen diskutiert wurde, wird jetzt im Landtag beerdigt. Der vor drei Jahren eingesetzte Untersuchungsausschuss hat gestern in seiner letzten Sitzung einen Freispruch für die damalige Staatsregierung verabschiedet - mit Stimmen der Mehrheitsfraktion CDU. Die Vertreter von PDS und SPD stimmten dagegen und kündigten Minderheitenvoten an, die dem Abschlussbericht bis zum 10.Juli hinzugefügt werden.
Es geht um die Errichtung des Behördenzentrums im Leipziger Stadtteil Paunsdorf. Ein Freund des früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), der Kölner Investor Heinz Barth, hatte 1993 ohne Ausschreibung den Auftrag für den mehrere hundert Millionen Mark teuren Bürokomplex erhalten, der vom Freistaat angemietet wurde.

Schon 1996 kam das Projekt öffentlich in Misskredit, als der Sächsische Rechnungshof Mängel in der Vertragsgestaltung anprangerte. Nach der Landtagswahl 1999 flammte die Diskussion neu auf, als ruchbar wurde, dass Biedenkopf persönlich Druck auf die Anmietung und Einzelheiten der Verträge gemacht haben sollte. Der Ausschuss wurde eingesetzt. Dann wurde ein Vermerk Biedenkopfs an den damaligen Finanzminister Georg Milbradt (CDU) im Wortlaut bekannt, in dem genaue Bedingungen für die Anmietung genannt sind. Bei den Zeugenvernehmungen im Ausschuss herrschte regelmäßig höchste Spannung. Die große Überraschung gab es aber im September 2001 bei der Nachlieferung von Akten des Investors. Sie enthielt einen Brief Barths an Biedenkopf, der die Vorlage für dessen Vermerk war.

Dennoch kommen die CDU-Vertreter zu dem Schluss, dass dem Freistaat kein Schaden entstanden sei. Die Verteuerung beim späteren Ankauf durch den Freistaat, die Biedenkopf gefordert hatte, sei dadurch aufgefangen worden, dass ein früherer Ankaufstermin ausgehandelt worden sei, sagte CDU-Obmann Lars Rohwer. Ansonsten habe Biedenkopf zur Beschleunigung der Verhandlungen beigetragen.

Die PDS-Fraktion spricht dagegen von einem Schaden zwischen umgerechnet 118 bis 138 Millionen Euro. Sie kündigte Strafanzeigen gegen Biedenkopf und Milbradt an.

Der SPD-Ermittler Karl Nolle sieht den Vorwurf der „Amigowirtschaft" für erwiesen an, weil Barth begünstigt worden sei, indem er konkurrenzlos gestellt wurde. Damit sei jedenfalls Schaden für das Ansehen des Rechtsstaats entstanden, sagte Nolle gestern der SZ. Er machte zugleich darauf aufmerksam, dass schon der Rechnungshof einen Schaden von 30 Millionen Mark festgestellt habe. Im Übrigen sei der Ausschuss ein „Sargnagel" für Biedenkopfs Rücktritt gewesen.
(Stefan Rössel)

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