Süddeutsche Zeitung - Online, 20.06.2003
Weber zurückgetreten
Milbradt: Ärzte bezeichnen Zustand der Ministerin als ernst
DRESDEN. Sachsens nach Affären unter Druck geratene Sozialministerin Christine Weber (CDU) hat am Mittwoch ihren Rücktritt erklärt. „Frau Weber sieht mit Rücksicht auf ihren gesundheitlichen Zustand keine Möglichkeit mehr, ihren Auftritt als Mitglied des Kabinetts nachzukommen“, sagte Ministerpräsident Georg Milbradt, als er Webers Rücktritt am Mittwochnachmittag bekannt gab. Bis zur Klärung der Nachfolge solle der Staatssekretär Albin Nees das Ministerium führen.
Weber hatte am Pfingstwochenende einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten und befindet sich seither in stationärer Behandlung. Die 54 Jahre alte Politikerin war zuvor unter anderem deshalb in die öffentliche Kritik geraten, weil sie für ihr Privathaus in Zschopau Fluthilfe-Geld bekommen hatte, obwohl ihr Haus nicht durch die Flut, sondern durch Einwirkung von Regenwasser beschädigt worden war. Bürger in vergleichbarer Lage hatten in der Regel keine staatlichen Mittel erhalten.
„Frau Weber war ungeheurem Druck ausgesetzt“, sagte Milbradt zur Entwicklung um die Ministerin, die sich selbst nicht äußerte und aus gesundheitlichen Gründen strikt abgeschirmt wird. Er hoffe, so Milbradt weiter, dass Weber in den kommenden Wochen die für ihre Heilung notwendige Ruhe habe und möglichst bald ihr seelisches Gleichgewicht wiederfinde. Am Montag dieser Woche hatte Milbradt ein ärztliches Bulletin veröffentlicht, aus dem hervorging, dass die Ministerin akut suizidgefährdet sei.
Milbradt hatte am Dienstagabend zum ersten Mal seit Pfingsten mit Frau Weber sprechen können. Unklar blieb, inwieweit er die Ministerin zum Rücktritt drängen musste. Sie hatte bis dahin stets erklärt, ihr Amt nicht aufgeben zu wollen. Frau Weber sei in keinem „guten Zustand“, sagte Milbradt. Die Ärzte bezeichneten ihren Zustand als ernst. „Ich bedaure die Entwicklung und wünsche niemandem, in so eine Situation zu kommen“, sagte Milbradt weiter. Nach seinem Dafürhalten sei es aber richtig gewesen, dass er der unter Druck geratenen Ministerin „Zeit gegeben habe, zu sich zu finden und diese Entscheidung zu fällen“. Milbradt war zuvor von der Opposition aufgefordert worden, die Ministerin zu entlassen.
Weber ist auch stellvertretende Vorsitzende der sächsischen CDU. Sie zählte vor einem Jahr, als in der sächsischen CDU ein Machtkampf um die Nachfolge Kurt Biedenkopfs wogte, früh zu den Unterstützern Milbradts.
(Jens Schneider)