Neues Deutschland - Online, 12.06.2003
Freistaat zahlte für Paunsdorf-Center mal rasch das Doppelte
PDS will Biedenkopf und Milbradt anzeigen
Sachsen hat für ein Bürogebäude, in dem Landesbehörden sitzen, mindestens das Doppelte des notwendigen Preises bezahlt, meint die PDS nach einer Untersuchung. Sie will mehrere Beteiligte anzeigen.
Viermal hat Bettina Simon gerechnet. Die 46-jährige Finanzberaterin sitzt für die PDS in einem Untersuchungsausschuss zum Behördenzentrum Leipzig-Paunsdorf, in dem 1995 eine Reihe von Behörden eingemietet wurden. Sie sind in dem Bau, den ein Freund des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf(CDU) errichtete, zu äußerst nachteiligen Konditionen untergebracht, klagt die Opposition. Wie nachteilig sie sind, belegen Simons Zahlen. Der Mindestaufwand für die Unterbringung der Behörden hätte demzufolge bei 101 Millionen Euro gelegen. Pessimistischere Rechnungen kommen auf 107 bis 120 Millionen Euro. Tatsächlich zahlt der Freistaat binnen zehn Jahren aber satte 236 Millionen.
Paunsdorf sei die »größte bisher bekannt gewordene Verschwendung von Steuermitteln« in Sachsen, sagt daher André Hahn. Der PDS-Obmann im Ausschuss sieht die Vorwürfe, die seine Partei vor drei Jahren zur Einsetzung des Ausschusses veranlassten, »in nahezu allen Punkten bestätigt«. Dagegen beteuerte CDU-Obmann Lars Rohwer gestern erneut, dem Freistaat sei »kein Schaden entstanden«. SPD-Mann
Karl Nolle, äußerlich gelassen, bringt den Vorgang auf einen Begriff: »Amigo-Wirtschaft«. Dass dagegen eine Strafanzeige Erfolg hat, bezweifelt er.
Wegen ihrer Verantwortung für die Vertragsgestaltung will die PDS sowohl Biedenkopf als auch dessen Nachfolger Georg Milbradt, damals Finanzminister, anzeigen – wegen des Verdachts der Untreue, Begünstigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Anzeigen sollen Mitte Juli eingereicht werden, wenn die PDS ihr Minderheitenvotum zum Ausschuss-Bericht vorlegt. Das Gremium tagt nächste Woche letztmalig; der 1000-seitige Bericht wird aber wohl erst im September im Landtag behandelt.
Die Opposition beklagt, dass der Bau von dem mit Biedenkopf befreundeten Kölner Bauunternehmer Heinz Barth ohne Ausschreibung errichtet werden konnte. Sie monieren außerdem zu hohe Mieten, eine Anmietung über Bedarf sowie die fehlende Trennung von Büro- und Nutzflächen. Der Freistaat zahlte zunächst pauschal 24 Mark (12 Euro) je Quadratmeter. Eine Anpassung an sinkende Mieten ist nicht vorgesehen. Stattdessen existiert eine Gleitklausel, derentwegen die Gesamtmiete zuletzt 2001 um 425000 Euro stieg.
Die PDS-Vertreter machen Biedenkopf auch persönlich verantwortlich. So soll er Barth-Forderungen zum Nachteil des Freistaats korrigiert haben. Für einen Ende 2005 möglichen Rückkauf verlangte der Investor 13 bis 15 Jahresmieten. Biedenkopf strich die niedrigere Zahl. »Dieser Federstrich kostet Sachsen allein 16 Millionen Euro«, sagt Hahn.
Doch auch Milbradt werden schwere Vorwürfe gemacht. Er habe Regelungen wider besseres Wissens übernommen. So habe sich Barth in der Bauphase einen Teil der Umsatzsteuer erstatten lassen. Im Gegenzug sollte auch die Büromiete mit Mehrwertsteuer belegt werden. Ministeriumsmitarbeiter warnten, dies sei nicht zulässig. Die Verträge wurden trotzdem unterzeichnet. Milbradt sei »Strafbarkeit wegen Unterlassens« vorzuwerfen, sagt Heiko Kosel, PDS-Abgeordneter und Rechtsanwalt. Mehrwertsteuer für die Miete kassierte der Staat übrigens nur 1995 und 1996. Dann wurde der Vertrag geändert. Fortan, sagt Steuerfachfrau Simon, war Vermieter Barth auch von dieser Steuer befreit.
(Hendrik Lasch)