Dresdner Morgenpost, 13.09.2003
SPD-Nolle: „Parteigericht in reinster Blockflötentradition“
DRESDEN. Ein einmaliges Tribunal: 25 Minuten lang ließ die CDU gestern alles raus, was sie schon immer mal über den SPD-Abgeordneten
Karl Nolle loswerden wollte. PDS und SPD beteiligten sich nicht.
Karl Nolle ist bereits fünf Minuten zu früh im Landtag, geht leicht nervös auf und ab. Auch die SPD-Fraktion ist komplett erschienen, demonstriert volle Unterstützung. Um 10.15 Uhr tritt die CDU-Abgeordnete Uta Windisch (Wahlkreis Stollberg) ans Rednerpult, wirft Nolle Unkenntnis, Profilierungssucht, Verleumdung und Verantwortungslosigkeit vor. Hintergrund: Nolle hatte der Stadt Stollberg öffentlich „schwarzen Filz" und Ungereimtheiten bei einem Grundstücksverkauf an VW und Siemens vorgeworfen. Die CDU sieht den Standort in Gefahr.
„Wir sind auch nur Menschen wie Rudi Völler. Irgendwann platzt uns der Kragen und alles muss raus", sagt CDU-Fraktions-Chef Fritz Hähle. Die CDU habe immer wieder Vorwürfe von Nolle ertragen. „Aber wenn es um die Lebenschancen der Bevölkerung in einer benachteiligten Region geht, ist Schluss mit lustig." „Diese Debatte ist ein direkter Angriff auf Demokratie und der Versuch, einen Abgeordneten, der Ihnen missliebig ist, einzuschüchtern", erklärt die SPD-Abgeordnete Gisela Schwarz. Auch die PDS lehnt die Debatte ab. Klaus Bartl: „Der Landtag hat die Aufgabe, die Staatsregierung zu kontrollieren und nicht den Abgeordneten."
Darf man so eine Debatte führen? „Ja", sagt Parlamentsrechtler Martin Schulte (TU Dresden). „Im politischen Meinungskampf muss ein Abgeordneter das aushalten können." Politik-Professor Werner Patzelt: „Die Vorstellung, dass es irgendetwas gäbe, worüber man im Parlament nicht sprechen dürfte, ist albern."
Nolle danach - wie immer unbeeindruckt: „Das war ein Parteigericht in reinster Blockflötentradition." Inhaltlich habe die CDU seine Vorwürfe nicht kontern können. Und Nolle kündigte an, weiterzumachen: „Solange ich hier was zu sagen habe, gibt's drei Themen: Mittelstand, Abwanderung und Schwarzer Filz."
(Stefan Locke)