Karl Nolle, MdL

ND Neues Deutschland, 04.12.2003

»Leuchttürme« strahlen nach innen

Für den Fiskus springt bei öffentlichen Milliardensubventionen meist nicht viel heraus
 
Die Einnahmen aus Gewerbesteuern sind erst recht nach der verheerenden rot-grünen Unternehmensteuerreform von 1999 ein peinlich gehütetes Geheimnis. Mit dem aktuellen Gewinneinbruch beim VW-Konzern beenden aber einige ostdeutsche Bürgermeister das Schweigen.

Wenn ein Dresdner PDS-Stadtrat in der Fragestunde etwas über Gewerbesteuereinnahmen aus hochsubventionierten »Leuchttürmen« der Stadt wie Infineon, AMD oder Volkswagen erfahren will, lässt der Oberbürgermeister (OB) vorsorglich erst einmal die Öffentlichkeit ausschließen. Eine brauchbare Auskunft erteilt er dennoch nicht. Ähnlich enden Erkundigungen in anderen Sitzgemeinden von massiv geförderten Großinvestitionen. »Im Hinblick auf das Steuergeheimnis – Paragraf 30 Abgabenordnung – ist eine Beantwortung Ihrer Anfrage, die sich auf einen konkreten Einzelfall bezieht, leider nicht möglich«, lautet die stereotype Antwort. Die Konzerne selbst ignorieren direkte Anfragen in aller Regel.

Mit dem Gewinneinbruch bei VW und dem angekündigten Totalausfall an Gewerbesteuerzahlungen aber erfährt man beispielsweise von Zwickaus OB Dietmar Vettermann (CDU), dass der Stadt jährliche Einnahmen von 3,5 Millionen Euro und damit ein Zehntel der Steuern wegbrechen. Wie üblich, wird deshalb zuerst an die Schließung des Theaters gedacht. In Dresden hingegen ist der Ausfall kaum spürbar, weil der »Phaeton« nicht so richtig läuft und von der Gewerbesteuerzerlegung des VW-Mutterkonzerns bei lediglich 400 Mitarbeitern nicht viel übrig bleibt. Immerhin erfährt man bei dieser Gelegenheit, dass sich die Geschenke der Stadt an die »Gläserne Manufaktur« bislang bei Steuereinnahmen weit unterhalb der Millionengrenze kaum gelohnt haben.
In Jena bestätigt Finanzdezernent Frank Jauch, dass die vielgerühmte Jenoptik noch nie Gewerbesteuern gezahlt hat und auf absehbare Zeit auch nicht zahlen wird. Wie steht es überhaupt um die »öffentliche Rendite« der spektakulären Milliardensubventionen aus Steuergeldern? In Dresden reagiert lediglich AMD-Pressesprecher Jens Drews auf ein Protokoll des interministeriellen Bürgschaftsausschusses vom Mai 2002. Darin wird eine Verlagerung der Steuerzahlungen von AMD Saxony an den kalifornischen Mutterkonzern bestätigt.

Die Existenz eines solchen Protokolls, obschon von einer Ministerialrätin unterschrieben, wird aber von allen Beteiligten bestritten. Vielmehr seien mit dem Jahresabschluss 2002 die Verlustvorträge des seit 2000 produzierenden Dresdner Chipwerks aufgebraucht, so dass jetzt erstmals Gewinnsteuern fällig würden, sagt Drews. Diese seien unabhängig von den Verlusten des Mutterkonzerns und würden selbstverständlich in Dresden gezahlt. »Dresden war wie ein Sechser im Lotto«, gestand Wolfram Thost, Chef der Siemens-Leitregion Ost, bei seinem Abschied im Vorjahr.

Mitte der 90er Jahre wurde die Tochter Infineon ebenfalls mit 400 Millionen Euro Fördermitteln und Grundstücks-Tiefpreisen geködert. Nach durchgesickerten Angaben aus der Vorstandsebene hat das Dresdner Chipwerk bislang keinen Euro Steuern auf die Betriebsergebnisse bezahlt, da die Abschreibungen nach wie vor dominieren. Wegen der hälftigen Gewinnanrechnung von Zinsen auf Investitionskredite entstanden aber Gewerbesteuern. Von 25 Millionen Euro im Jahr 2001 gehen sie auf voraussichtlich 10 Millionen Euro in diesem Jahr zurück.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW hat 1997 und 2002 eine euphorische Studie zu beiden Dresdner Halbleiterwerke angefertigt. Wie andere Institute auch hebt das DIW vor allem fiskalische Sekundäreffekte durch die Schaffung von Arbeitsplätzen hervor. Bis zum Jahr 2010 würden so Einkommenssteuern von etwa 900 Millionen Euro fällig, die Sozialversicherungen könnten zusätzlich 1,6 Milliarden Euro einnehmen. SPD-Wirtschaftssprecher Karl Nolle rechnet im Sächsischen Landtag aber vor, dass vergleichbare Fördersummen im Mittelstand das Zehnfache an Arbeitsplätzen gegenüber der kapitalintensiven Hochtechnologe brächten.

Anzuzweifeln sind außerdem die der Studie zugrunde liegenden krisenfreien Gewinnverläufe und langen Laufzeiten von bis zu 15 Jahren. Produkte der Computerindustrie verschleißen bekanntlich moralisch äußerst schnell. Auch in Dresden hat es bereits Nachinvestitionen gegeben, die wiederum gefördert wurden. »Die Chiphersteller schreiben praktisch ständig ab und drücken sich so um Steuerzahlungen«, weiß ein Experte des Softwarekonzerns SAP. Der Stadt Dresden, die für 2004 keinen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen kann, haben die »Leuchttürme« jedenfalls nicht aus ihrem geradezu finalen Finanzdesaster herausgeholfen.
(Von Michael Bartsch)

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