Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.01.2004

SPD sucht neue Linie

Bis zum Wahltag Einigkeit vereinbart / Landeschefin Krehl trotzdem unter Druck
 
Nicht jeder Kompromiss ist eine Lösung. Dies bekommt jetzt auch Sachsens SPD zu spüren, nachdem sie sich mit dem Fraktionschef im Landtag, Thomas Jurk, auf den künftigen Spitzenkandidaten zur Landtagswahl im Herbst festlegte. Dessen Kontrahentin um den Job, SPD-Landeschefin Constanze Krehl, gilt zwar offiziell noch als gleichwertiges Mitglied einer Doppelspitze, doch die Hierarchie ist mit dem entschiedenen Kampf um Listenplatz eins geklärt: Jurk bestimmt, wo es künftig langgeht.

Krehl gerät dagegen spürbar unter Druck. „Jeder Chef, der seine Firma in ein solches Chaos führt, wüsste, was er jetzt zu tun hat“, spielte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle am Freitag auf die Konsequenzen für die einst von Krehl geforderte und nun abgesagte Urwahl an, die den Landesverband bis zuletzt spaltete.

Und auch dessen Fraktionsmitglied Cornelius Weiss, früher Rektor der Leipziger Universität, attestiert der Genossin, dass ihre Position „selbstverständlich beschädigt“ sei. Weiss, als Feingeist bekannt, ergänzt: „Frau Krehl hat auch das ihrige dafür getan.“ Nun hoffe er nur auf eins: einen möglichst „sanften Abgang“ für die Parteivorsitzende.

Option auf Bündnis mit der PDS mischt Karten neu

Der könnte sich tatsächlich in Raten vollziehen. Als große Hintertür bleibt Krehl ihre gleichzeitige Nominierung zur Wahl des neuen Europa-Parlaments im Juni. Der bundesweite Listenplatz sechs garantiert ihr nicht nur ein Mandat in Brüssel, sondern auch eine würdevolle Rückzugsmöglichkeit.

Doch davon wird vorerst offiziell nicht die Rede sein. Stattdessen setzt die SPD auf eine interne Vereinbarung, die allen Lagern bis zur Landtagswahl äußerliche Geschlossenheit vorschreibt. „Die Frage nach einer neuen Parteiführung steht im Moment nicht“, erklärt selbst Jurk und hält sich damit an die Absprachen. Die sind für ihn ohnehin vorteilhaft. Die weiteren Kandidaten für die Landesliste sollen nun nicht mehr nach dem Regional-Prinzip, sondern nach Kompetenz ausgewählt werden. Jurk hat damit freie Hand. Zudem ist der Verzicht auf jegliche Koalitionsaussage ein Erfolg. Die von ihm vertretene Option auf ein rot-rotes Bündnis ist somit nicht vom Tisch, im Gegenteil. Krehl, die eine Zusammenarbeit mit der PDS ablehnt, dürfte bei der möglichen Entscheidung kaum noch mitreden. Auch wenn sie jetzt Rückendeckung aus ihrer Leipziger Heimatregion erhält. Dort meint der einflussreiche Bundestagsabgeordnete Gunther Weißgerber, Krehl werde „noch lange Parteichefin bleiben“. Und er warnt alle Genossen vor Rücktrittsforderungen: „Wer die Diskussion führt, liebt die Partei nicht.“

Andere haben sich aber längst auf einen Kurswechsel eingestellt. PDS-Fraktionschef Peter Porsch lobte die SPD für „den Schritt nach vorn“. CDU und FDP sprachen nach der Kampfentscheidung Jurk–Krehl sofort von einer weiterhin zerstrittenen Partei und einem Pyrrhussieg. Sicher scheint sicher.
(Von Gunnar Saft)

Karl Nolle im Webseitentest
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