Karl Nolle, MdL

Bild, Deutschlandausgabe, Seite 1, 24.01.2004

Enteignungs-Urteil: Steigt jetzt der Soli?

 
Berlin – Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Enteignung von Ex-DDR-Bürgern ist jetzt eine neue Diskussion um den Soli (5,5 % der Steuerschuld) entbrannt!

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaas Hübner zu BILD: „Man wird wohl nicht darum herumkommen, den Solidaritätszuschlag zu erhöhen, falls durch das Urteil Entschädigungen in Milliardenhöhe auf die ostdeutschen Länder zukommen – auch wenn für die Wirtschaft eine Abgabenerhöhung problematisch wäre.“

Auch der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle ist sicher: „Notfalls muss der Solidarbeitrag erhöht werden.“
(ds/kug)

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Hintergrund

Enteignungen: Das neue Urteil kann für Steuerzahler teuer werden
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und DDR-Staatssekretär Günther Krause unterzeichnen am 31. August 1990 den Einigungsvertrag.

STRASSBURG/BERLIN – Rund 180 000 Bürger in Ostdeutschland können auf einen warmen Geldregen vom Staat hoffen!

In einem sensationellen Urteil entschied gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg: Die 1992 von der Regierung Kohl beschlossene Enteignung von Grundstücken in der ehemaligen DDR war rechtswidrig. (AZ: 46720/99, 72203/01 u. 72552/01).

Und darum geht’s: 1992 kassierte der Staat rund 100 000 Hektar brachliegende Flächen in Ostdeutschland ein. Eigentümer bis dahin: Nutznießer der Bodenreform von 1945 oder deren Erben. Fünf der Betroffenen zogen gegen das Gesetz vor Gericht. Und bekamen gestern Recht!

Drohen dem Staat jetzt Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe?

Wahrscheinlich. Das Urteil betrifft rund 70 000 Erbfälle – und damit nach Schätzungen der „Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum“ bis zu 180 000 Alteigentümer und Erben.

Gilt das Urteil für alle?

Nicht automatisch. Denn jeder Betroffene muss seine Ansprüche einzeln geltend machen. An wen sich die Antragsteller wenden müssen, ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Zuständig ist die Behörde, die 1992 die Enteignung abgewickelt hat.

Wie hoch wird die Entschädigung sein?

Noch völlig offen. Denn das Gericht hat nur entschieden: Die Enteignung verstieß gegen die Menschenrechte. Wie das Unrecht ausgeglichen werden muss, wird gesondert entschieden.

Die Bundesregierung hat ab heute drei Monate Zeit, dem Gericht in Straßburg ihre Sicht darzulegen. Juristen des Bundesjustizministeriums begannen gestern unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils damit, die Begründung der Richter zu prüfen.

Und wer muss am Ende die Entschädigungen zahlen?

Sobald das Urteil rechtskräftig ist, muss sich Finanzminister Hans Eichel (SPD) mit seinen ostdeutschen Kollegen einigen.

Denn: Die Flächen, um die es geht (die meisten in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern), werden von den neuen Ländern verwaltet. Ein Teil ist inzwischen schon wieder verkauft, was dem Fiskus rund 2,75 Milliarden Euro einbrachte.

Ist jetzt der Vertrag zur Deutschen Einheit von 1990 ungültig?

Nein. Dieser Streit hat damit nichts zu tun.

(Von Julia Fischer und Katharina Ugowski)

Karl Nolle im Webseitentest
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