Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 02.02.2004

Auf die Union kommt ein neuer Spendenskandal zu

Im Wahlkampf von Leipzigs CDU-Kämmerer Kaminski wurden Parteispendenquittungen für private Initiative ausgestellt - Milbradt lässt Vorgänge prüfen
 
Leipzig - Nach dem hessischen Parteispendenskandal droht jetzt auch aus Leipzig ein Spendensumpf auf die Berliner Zentrale der CDU überzuschwappen. Im Mittelpunkt steht der städtische Kämmerer Peter Kaminski. Der WELT vorliegende Dokumente belegen: In Kaminskis 1998er-OB-Wahlkampf wurden offenbar gleich mehrfach Gesetze gebrochen. So hat die Leipziger CDU rechtswidrig für eine Privatinitiative des Finanzbeigeordneten Spendenbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt ausgestellt. Damit entgingen dem Fiskus Einnahmen. "Anstiftung zur Steuerhinterziehung" nennen Juristen das. Die arglosen Spender ahnen von der Fälschung bis heute nichts.

Wirtschaftsprüfer der Sächsischen Revisions- und Treuhand GmbH durchforsten die zweifelhaften Vorgänge in Leipzig seit dem 19. Januar. Sie beschäftigen sich mit den Büchern des Leipziger CDU-Kreisverbandes von 1997 bis 2000. Angeordnet hat die Kontrolle die sächsische Union mit Ministerpräsident Georg Milbradt an der Spitze. Sein Generalsekretär Hermann Winkler: "Uns interessiert vor allem, ob Spenden korrekt behandelt wurden." In dieser Woche soll der Bericht vorliegen. Kaminskis Vorgesetzter, der sozialdemokratische OB Wolfgang Tiefensee, lässt allerdings kein Aufklärungsinteresse erkennen.

Dagegen hat die Dresdner Christdemokraten eine Enthüllung dieser Zeitung in Alarmstimmung versetzt: Im Alleingang schanzte Kaminski dem windigen Geschäftsmann Roland Poser eine millionenschwere Provision zu - womöglich um dessen Beistand im verlorenen Wahlkampf 1998 zu honorieren. "Rückhaltlose Aufklärung", verlangt Milbradt deshalb.

Neben Steuerfahndern und Staatsanwälten wird sich auch Wolfgang Thierse (SPD) als Dienstherr der Bundestagsverwaltung mit dem Kaminski-Wahlkampf beschäftigen müssen. Denn verstoßen wurde noch dazu gegen das Parteiengesetz. Damit könnte der gesamte Rechenschaftsbericht der Bundespartei ungültig sein.

Das Agieren Kaminskis bietet einen Einblick in das, was seit den Olympia-Skandalen vom letzten Herbst "Leipziger Sumpf" genannt wird. Der 1984 der Ost-CDU beigetretene Kämmerer hat seine politischen Ambitionen mit dem städtischen Amt verquickt und die eigene Partei wie auch die Öffentlichkeit getäuscht. Bis heute versucht er, Fakten zu vertuschen.

Es geht um einen merkwürdigen Privatzirkel, ein mysteriöses Konto und ungeklärte Geldflüsse. Anfang 1998 entdeckte Kaminski ein populäres Wahlkampfthema: die verfallende Kongresshalle, das älteste Gesellschaftshaus der Stadt, nach dem Krieg lange Heimstatt des Gewandhausorchesters und beliebter Unterhaltungstempel. Kurzerhand rief der CDU-Politiker einen "Freundeskreis" ins Leben, der ein ganztägiges Spektakel auf dem Marktplatz veranstaltete: "Alle Mitwirkenden und Organisatoren haben sich bereit erklärt", schrieb Kaminski an auftretende Künstler, "ihr Honorar für den Erhalt der Kongresshalle zu spenden."

Kaminski und sein Veranstaltungskoordinator Poser sagten mehreren Beteiligten "eine Spendenquittung in Höhe der Bruttogage abzüglich der Kosten" zu. Zum Ausstellen steuerlich absetzbarer Bescheinigungen war der Freundeskreis, dessen Adresse mit Kaminskis damaliger Privatwohnung identisch war und für den außer ihm keine Mitglieder zu ermitteln sind, aber nicht berechtigt. Die CDU sprang ein: Kreisgeschäftsführer Hasso Schmidt quittierte dankend Zuwendungen "im OBM-Wahlkampf" über jene Beträge, die der "Freundeskreis Kongresshalle/Herr Peter Kaminski" zuvor schriftlich vereinbart hatte. Ein klarer Verstoß gegen das Parteiengesetz: Die Spenden waren für die Kongresshalle, nicht für die CDU bestimmt.

Heute vertraut Kaminski wohl darauf, dass die sechs Jahre alten Unterlagen unauffindbar sind. "Der ,Freundeskreis Kongresshalle" wurde nicht durch mich initiiert", lügt er auf Anfrage. Doch alle Freundeskreis-Papiere weisen den "Initiator Peter Kaminski" aus. Ferner schreibt der Kämmerer, zur Spendenhöhe könne er "keine Bestätigung geben". Damals wurde offiziell mitgeteilt, für die Kongresshalle seien 85 000 Mark eingespielt worden, davon 70 000 Mark gespendete Gagen. "20 000 Mark brachte der Auftritt meines Mannes", sagt die Witwe von Swinglegende Fips Fleischer und empört sich: "Wir haben nicht einmal eine Spendenquittung erhalten und nie erfahren, wo das Geld geblieben ist."

Das kann auch Kaminski nicht plausibel darlegen. Ein Betrag sei "in das Gesamthaushaltskonto der Stadt" geflossen. Wochen später behauptet er, 42 000 Mark seien etwa für "Blitzschutz" an der Kongresshalle ausgegeben worden. Glaubt man ihm, ist die von seinem Privatzirkel akquirierte und von der CDU quittierte Teilsumme bei der Stadt gelandet, die sie für Zwecke einsetzte, für die sie als Gebäudeeigentümerin ohnehin aufkommen musste. Hat die CDU also der Stadt gespendet?

Fragen will der Kämmerer seit Wochen nicht beantworten. Leitete er selbst das Geld auf die ihm unterstellte Kämmerei? Wo ist der Rest der Spenden? War er Inhaber des Freundeskreis-Spendenkontos 6715109 bei der Bayerischen Vereinsbank AG? Welche Transaktionen wurden über dieses Konto abgewickelt? Denn Kaminski weiß angeblich nicht, ob die ominösen 42 000 Mark von dort kamen. Bei so viel Erinnerungslücken lässt sich sogar das Schlimmste nicht ausschließen: Handelte es sich um eine schwarze Wahlkampfkasse? Der CDU, so viel steht fest, gehörte das Konto nicht.

Die neue Leipziger Kreisvorsitzende Christine Clauß, von der WELT mit den Fakten konfrontiert, ist entsetzt über "die unglaubliche Geschichte". Vorsorglich hat die um Aufklärung bemühte Landtagsabgeordnete die Schlösser der Geschäftsstelle auswechseln lassen, um Akten vor unbefugtem Zugriff zu schützen.

Die Wirtschaftsprüfer werden nun herausfinden müssen, wie Kaminski seinen ungefähr 200 000 Mark teuren Wahlkampf finanziert hat. Ein CDU-Insider: "Plötzlich kam Geld und keiner wusste, woher." Rund 140 000 Spenden-Mark gingen Kaminski zufolge ein. Trotz des beachtlichen Aufkommens hat die Leipziger CDU keine Großspenden über 20 000 Mark an Thierse gemeldet. "Ein bisschen mehr" als die deklarierungspflichtige Summe will Kaminski aber aus der eigenen Tasche zugeschossen haben.

Der Hamburger Parteienrechtsexperte Wilhelm Strobel: "Das hätte dann als Spendeneinnahme verbucht und im Rechenschaftsbericht als Großspende ausgewiesen werden müssen." Nur wenn die CDU nachweisen könne, dass der Kämmerer eigenmächtig gehandelt habe, drohe ihr keine Sanktion durch Thierse. Andernfalls werde eine empfindliche Geldstrafe fällig, die laut Parteiengesetz für wohltätige Zwecke eingesetzt wird.
(von Grit Hartmann und Uwe Müller)

Karl Nolle im Webseitentest
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