Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.02.2004

Suspendierung Kaminskis: Warum so spät?

Kommentar von Bernd Hilder
 
Weder ist es ein Ende mit Schrecken, noch nimmt der Schrecken für Leipzig jetzt ein Ende. Denn die Affäre Kaminski mit ständig sprudelnden Vorwürfen von Korruption und Vetternwirtschaft ist mit der längst überfälligen vorläufigen Amtsenthebung des Stadtkämmerers beileibe nicht aus der Welt geschafft. Ganz im Gegenteil: Viel zu viele Fragen sind von Kaminski unbeantwortet, der Aufklärung nur provozierend widerspenstig nach der Scheibchen-Methode zulässt. Deshalb blieb Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee schließlich keine andere Wahl mehr als die Notbremse zu ziehen. Aber warum nur hat er die Dinge so lange auf das Unvermeidliche zutreiben lassen, ohne selbst in die Offensive zu gehen? Jetzt steht Leipzigs Vorzeige-Politiker nicht als Handelnder, sondern als Getriebener da: Erst der Unions-Chefermittler Thomas Giesen brachte den SPD-Rathaus-Chef dazu, sich von dem CDU-Kämmerer widerstrebend zu trennen. Dessen eigene Partei hatte ihn längst fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

So hat es die CDU geschafft, ihren eigenen Spendenskandal wenige Monate vor der Landtagswahl geschickt vor Tiefensees Amtszimmer abzuladen, dessen Krisenmanagement von Aussitzen, Abtauchen und Zaudern bestimmt war. Da kann sich die erfolgsverwöhnte Landes-CDU genüsslich gegen die rote Trutzburg Leipzig in Stellung bringen. Dabei hätten die Vorwürfe gegen Kaminski schon vor Wochen ausgereicht, dem Kämmerer eine kreative Pause zur schlichten Wahrheitsfindung zu gönnen. Das hätte weder gegen Anstand noch gegen Amtsverständnis verstoßen, sondern wäre der politischen Kultur dienlich gewesen. Denn über die Rolle des umtriebigen Provisionseinstreichers Roland Poser in seinem Wahlkampf hat Kaminski zunächst eklatant falsche Angaben gemacht, also Lügen aufgetischt. Und die Hintergründe für Millionenhonorare bei der Stadionvermittlung sind noch nicht hinreichend aufgeklärt.

Fürchtet man etwa im Rathaus den Domino-Effekt weiterer Enthüllungen mit weiteren personellen Konsequenzen? Nach derzeitigem Wissensstand ist es völlig überzogen, die Leipziger Sumpfgeschichten mit dem hessischen Parteispendenskandal oder dem Kölner Klüngel zu vergleichen, wie es außerhalb Leipzigs gelegentlich getan wird - auch mit neidischem Blick auf die Olympia-Bewerbung. Aber es sind schleppende Aufklärung und mangelnde Transparenz, die immer neue Vorwürfe und Spekulationen geradezu anheizen. Die Folge ist, dass das viel gelobte Modell Leipzig, bei dem alle Stadtratsfraktionen an einem Strang ziehen, kritische Opposition fehlt und Wichtiges vornehmlich hinter den Kulissen ausgekungelt wird, nach unverkennbaren Erfolgen nun immer stärker in die Kritik gerät. Der Fall Kaminski könnte zum Wendepunkt in der Leipziger Stadtpolitik werden.






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