Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 18.02.2004

"Schweigeverschwörung - Wenn Kaminski fällt, geht Jung mit"

Der CDU-Politiker Schimpff übet scharfe Kritik an der Leipziger Rathausspitze
 
Dresden. Der CDU-Landtagsabgeordnete Volker Schimpff sieht in der Leipziger Misere um Kämmerer Peter Kaminski (CDU) System: Im Rathaus, so der Stadtrat und Ex-Chef der CDU-Fraktion, werde Kontrolle seit Jahren ausgehebelt.

Frage: Erst fragwürdige Olympia-Geschäfte, jetzt die Kaminski-Affäre - seit Wochen kommt Leipzig nicht aus den Schlagzeilen. Woran liegt's?

Volker Schimpff: Auf den ersten Blick haben die beiden Ebenen nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten aber wird das zentrale Problem erkennbar: Im Leipziger Rathaus sind Kontrollen systematisch ab- oder erst gar nicht aufgebaut worden. Es fehlt an internen Mechanismen, damit rechtliche Vorgaben eingehalten werden. Dabei hat es an Mahnungen und kritischen Hinweisen nicht gemangelt. Seit spätestens 1997 monieren Rechnungsprüfer den problematischen Umgang mit öffentlichen Geldern. Doch das blieb folgenlos, weil die Fakten von der Rathausspitze unter Verschluss gehalten wurden.

Aber es gibt den Stadtrat. Warum spielt der den Ahnungslosen, also mit?

Zum einen gibt es zumindest in der CDU-Fraktion einige Stadträte, die sich nicht mit der allgemeinen Schweigeverschwörung abfinden. Doch Kritiker wurden in der Vergangenheit auf unverschämte Weise gemaßregelt - mit Deckung der obersten Verwaltungsspitze. Zum anderen herrscht ein nebulöses Beziehungsgeflecht aus Einzelabhängigkeiten. Und über allem schwebt der moralinsaure Geist eines "Wir machen hier Stadtpolitik über Parteigrenzen hinweg".

Ist Konsens schlecht in der Politik?

Nicht prinzipiell. Wenn er aber dazu führt, dass eine Hand die andere wäscht und sich am Ende alle decken, ist das Ziel verfehlt. Genau nach dieser Melodie aber wird im Leipziger Modell gespielt. Und immer werden genügend Leute eingebunden, um zumindest eine Beißhemmung nach oben zu entwickeln. Dabei stellt jede Einzelabhängigkeit für sich noch keine Straftat dar. Aber als System wird es moralisch zum Problem und leistet - im Extremfall - dem Treiben fragwürdiger Geschäftemacher Vorschub.

Welche Rolle spielt Kaminski?

Er war stets der getreue Kämmerer seines Dienstherrn Tiefensee und ist damit im Leipziger Beißhemmungs- und Moralingefüge gut gefahren. Seine Tragik ist, dass er nicht rechtzeitig erkannt hat, dass genau das nicht mehr geht. Damit fungiert er als Buhmann in der Öffentlichkeit, obwohl er im System Tiefensee doch nur ein sich mitdrehendes, aber kein treibendes Rädchen ist. Doch bei all dem darf man nicht unterschlagen: Es gibt gegen Kaminski bisher keine Hinweise auf Aktenvernichtung - wie im Fall des SPD-Beigeordneten Burkhard Jung.

Warum hält Tiefensee so eisern an Kaminski fest?

Weil er als OBM so schnell keinen neuen Kämmerer findet, der ebenso treu ergeben wäre und gleichzeitig so viel von der Sache versteht. Außerdem drohte damit die Misere für Tiefensee zu eskalieren. Wenn Kaminski fällt, würde am Ende auch der stärker involvierte Jung mit fortgerissen. Und Jung ist Tiefensees engster Vertrauter und sein Wunschnachfolger.

Nimmt Leipzig beim Großreinemachen der Landes-CDU Schaden?

Im Gegenteil, es kann nur gewinnen. Auch wenn es sich noch nicht bei allen herumgesprochen hat: Die Krise ist eine Chance - nicht unbedingt für jeden Betroffenen, aber für die politische Kultur.

Interview: Jürgen Kochinke

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