Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 20.03.2004

In der Affäre Pilz wackeln Verteidigungslinien

Innenministerium gerät bei Staatskanzlei in Erklärungszwänge -Offener Brief an den „lieben Eberhard"
 
Dresden. Die massiven Beschuldigungen durch den Personalrat des sächsischen Innenministeriums gegen Minister Horst Rasch und Staatssekretär Michael Antoni haben in der Staatskanzlei Alarmstimmung ausgelöst. Die Vertretung von 540 Mitarbeitern hatte in einem ungewöhnlichen Hilferuf einen wirksamen Zeugenschutz verlangt. Vergeblich sei der Staatssekretär bisher aufgefordert worden, auf diese Weise zur „tatsächlichen Sachverhaltsaufklärung" beizutragen. Informationen aus dem Innenministerium über Drohungen und Einschüchterungsversuche waren im Umfeld von Ministerpräsident Georg Milbradt bisher offenbar nicht angelangt oder nicht registriert worden.

Doch immer hellhöriger vernimmt die Machtzentrale, mit welchen Methoden der bedrängte Landespolizeipräsident Eberhard Pilz aus der Schusslinie genommen werden soll. Als besonders weiche Stelle entpuppt sich eine Pressemitteilung von 18. Februar. Darin heißt es: „Andeutungen, wonach das Auftreten des Landespolizeipräsidenten während einer dienstlichen Feier Gegenstand von Beschwerden sein soll, sind unzutreffende Spekulationen. Sowohl der Personalrat als auch die Frauenbeauftragte haben erklärt, dass ihnen keine derartigen Informationen vorliegen." Das hat der Personalrat bereits am nächsten Tag dementiert und eine Richtigstellung verlangt. Vergeblich. Offenbar gibt es mündliche Beschwerden über Pilz. Falschmeldungen aus dem Ministerium könnten den Eindruck wecken, dass alle Verdachtsmomente gegen den Chefpolizisten intern ausgeräumt seien.

Ihrem Stil bleibt die Führung treu. Gestern rang sie sich zu einer Erklärung für ihren Abteilungsleiter Bernd Grob durch. „Vorerst keine disziplinarischen Vorermittlungen", heißt es in einer Presseerklärung, die aber nur auf den ersten Blick entlastend wirkt. Die Einschränkung "vorerst" scheint gezielt gewählt. Die Vorwürfe einer dubiosen Anzeige aus Polizeikreisen gegen den früheren Landespolizeipräsidenten Groh, den Rasch und Antoni gern für die Querelen in ihrem Haus festmachen wollen, sollen ihre weitere rufschädigende Wirkung entfalten.

Der aktuelle Landespolizeipräsident erhielt gestern Post von einem früheren Kollegen. „Lieber Eberhard" schreibt Klaus Deml, ein frühpensionierter Kriminalhauptkommissar aus dem bayerischen Furth im Wald, seinen Ex-Chef an. Er habe sich nicht gewundert, dass Pilz als Zentralfigur unfeiner Geschehnisse in seinem Ressort" gesehen werde, leitet Deml ein, um süffisant-bittere Hinweise auf die Vergangenheit aufzulisten, die Parallelen zur Gegenwart herstellen sollen.

Mit seinen Intrigen, so hält Deml dem "lieben Eberhard" in einem offenen Brief vor, habe er einen stets korrekten Beamten, einen 35-jährigen Familienvater mit kleinen Kindem nach jahrelanger böswilliger disziplinarrechtlicher Verfolgung und daraus resultierender Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getrieben. "Deine Rolle bei der Beschaffung und Einbringung der falschen Verdächtigung in das gegen Dich laufende Strafverfahren spricht auch heute noch Bände", schreibt Dem]. Der Polizeibeamte hatte Pilz in einer umfangreichen Anzeige zahlreicher Vergehen beschuldigt. Das Verfahren war 1989 von der Staatsanwaltschaft Regensburg eingestellt worden.

Deml wirft Pilz und anderen bayerischen Polizei-Obristen vor, bewusst auf eine Strafanzeige wegen Verleumdung gegen ihn verzichtet zu haben. Er habe das bedauert, denn als Beschuldigter hätte er Ermittlungshandlungen nachholen lassen können, die die Staatsanwaltschaft unterlassen habe. Für eine Stellungnahme war Sachsens Landespolizeipräsident nicht zu erreichen. Angeblich befand er sich auf der Heimfahrt nach Furth im Wald.

Nach dem abgeblasenen Versuch, sich durch einen Dresdner Anwalt verteidigen zu lassen, hat Pilz jetzt einen bekannten Medienrechtler verpflichten lassen. Das stattliche Honorar tragen die Gewerkschaft der Polizei und zu größeren Teilen die Staatskasse.
(von Hubert Kemper)

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