Karl Nolle, MdL

ND Neues Deutschland, 25.03.2004

Affentheater in Uniform

Schlammschlacht bei der Polizei – Innenminister Horst Rasch (CDU) am Ende
 
Ein Antrag auf Abberufung des Ministers ist vorläufiger Höhepunkt einer skurrilen Affäre im sächsischen Innenbereich.

Wenn die Opposition einem Minister vorwirft, das Ruder sei ihm aus der Hand geglitten, mag er darüber hinweggehen. Wenn aber Mitarbeiter die lenkende Hand vermissen, wäre Zupacken gefragt – so wie in Sachsens Innenministerium. Dessen Personalrat gab Ressortchef Horst Rasch (CDU) unlängst zu verstehen, man wolle keine Galionsfigur, sondern einen Steuermann.

Anlass ist eine Affäre, die den Stoff für ein formidables Intrigenstück abgeben könnte. Seit Wochen scheint es, als seien ranghohe Polizisten weniger mit der Sicherheit als mit dem Ausbooten von Konkurrenten befasst. Seit Details einer Polizeireform bekannt wurden, bei der die drei Präsidien abgeschafft und die Zahl der Direktionen von 13 auf 7 reduziert werden soll, stehen die Zeichen auf Sturm.

Vor allem Polizeipräsident Eberhard Pilz, der die Reform konzipierte, bläst der Wind ins Gesicht. Dem 59-jährigen Bayern werden reihenweise Verfehlungen angelastet: ungenehmigte Nebentätigkeit, sexuelle Belästigung, Vermischung von Privat- und Dienstangelegenheiten. Sonderermittler befassen sich mit den Vorwürfen ebenso wie mit Anschuldigungen gegen Mitarbeiter der Bautzener Polizeischule, wo Pilz’ Gegner vermutet werden.

Dass die Affäre inzwischen zur Schlammschlacht ausgeartet ist, belegen nicht nur mehrere Anzeigen. Der Personalrat des Ministeriums spricht von Einschüchterung und beantragt Zeugenschutz; manche Polizisten lassen nur noch ihre Anwälte reden. Die Auseinandersetzungen dürften noch schärfer werden, wenn im April über die Besetzung der dann reduzierten Führungsposten entschieden ist. Wie blank die Nerven liegen, belegen auch andere Details. So diffamierte Raschs Staatssekretär Journalisten; die Korrespondenten rügten im Gegenzug die Informationspolitik des Ministeriums. Es kursieren sogar Behauptungen, wonach Telefone abgehört würden.

Während die Fronten im polizeiinternen Machtkampf nur schwer zu entwirren sind, offenbart der vor allem die Führungsschwäche des Innenministers. Rasch, seit der Flut 2002 in der Kritik, behauptet stur, »keine Unruhe« in der Polizei zu erkennen. Gleichzeitig agiert das Ministerium zunehmend hilflos. So wurde Abteilungsleiter Bernd Groh, Pilz-Vorgänger und Reform-Kritiker, unvermittelt ins Umweltressort abgeschoben.

»Wenn man ein Krokodil entfernt, legt man den Sumpf nicht trocken«, sagt dagegen Steffen Tippach. Nach einem peinlichem Auftritt des Ministers im Innenausschuss hat die PDS sogar seine Abberufung beantragt – ein bislang im Freistaat einmaliger Vorgang. Die Regierung hat nun drei Wochen Zeit zu reagieren.

Die SPD hat wegen der Vorfälle sogar ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Georg Milbradt (CDU) angekündigt. Allerdings sieht Sachsens Verfassung nur konstruktive Misstrauensvoten vor, bei denen der Landtag einen neuen Ministerpräsident wählt. Die PDS verlangt lediglich eine »Missbilligung« des Verhaltens von Milbradt. Sie sei aber bereit, gemeinsam mit der SPD eine Sondersitzung zum Thema einzuberufen, erklärte Fraktionschef Peter Porsch gestern.

Für Unbehagen sorgt die Angelegenheit auch in der CDU, die mit dem Thema Innere Sicherheit im Wahlkampf punkten will. Fraktionschef Fritz Hähle spricht von »Affentheater« und fordert die Beteiligten auf, sie sollten »mit dem Zirkus aufhören«. Dagegen nutzt Finanzminister Horst Metz die Schwäche seines Kabinettskollegen gnadenlos aus. Er forderte öffentlich drastische Personalkürzungen bei der Polizei – eine Äußerung, die CDU-Generalsekretär Hermann Winkler umgehend als »völlig inakzeptabel« abkanzelte.
(von Hendrik Lasch, Dresden)

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