Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.05.2004

Betonliste und Eigentor

Opposition macht mobil: PDS stellt Kandidaten auf / SPD beschließt Wahlprogramm
 
Vier Monate vor der Landtagswahl stimmen sich PDS und SPD auf den Wahlkampf ein. Auf Parteitagen in Dresden und Coswig wurde über Köpfe und Inhalte gestritten.

Das komplette Wochenende hatten sich die knapp 300 PDS-Delegierten in die Dresdner Messehalle zurückgezogen, um über ihre Kandidaten auf der Landesliste zu entscheiden. Am Ende war der Aufwand weitgehend umsonst. Statt des üblichen Personalkarussells wurde der Vorschlag des Landesvorstands, der in Eigenregie 40 Bewerber benannt und aussichtsreich platziert hatte, ohne Änderung angenommen.

Doch das lag weniger an der Akzeptanz für die einzelnen Bewerber als am umstrittenen Wahlmodus. Anderthalb Stunden dauerte es, bis sich für das komplizierte Verfahren eine Mehrheit fand. Und danach sollten die Kritiker Recht behalten: Gegenkandidaturen zur Vorstandsliste blieben chancenlos, während die von der Parteispitze Gesetzten nicht vom Thron zu stoßen waren.

So wurde die 18-jährige Schülerin Julia Bonk gleich von 43 Prozent der Delegierten aus der Liste gestrichen. Trotz des klaren Misstrauensvotums durfte sie aber ihren komfortablen Platz 21 behalten. Zusätzliche Bewerber wie die Dresdner Sportexpertin Barbara Lässig kamen dagegen auch mit fast 50 Prozent der Stimmen nicht mehr ins Vorderfeld.

Die Ex-Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski sprach wütend aus, was mancher Anwesende aus Gründen der Parteiräson lieber für sich behielt. „Der Vorstand hat uns eine Betonliste präsentiert. Wir sind zwei Tage nur veralbert worden.“

Fraktionschef Peter Porsch – mit 95,1 Prozent erwartet klar zum Spitzenkandidaten gekürt – und Parteichefin Cornelia Ernst (Listenplatz 2) hielten am Rednerpult dagegen. Die Liste sei nicht undemokratisch erstellt worden, rechtfertigten sie sich, um danach zu warnen: Wer jetzt unkultiviert streite, sei eine Gefahr für die Partei. Da hielt mancher Delegierte doch lieber den Mund.

Zeit für Porsch und Co., um strategisch Pflöcke einzuschlagen. So will die PDS im Herbst erneut auf mindestens 30 Landtagsmandate und damit auf fast jede vierte Wählerstimme kommen. Weil das nicht reichen dürfte, um die regierende CDU zu kippen, gab es ein Zeichen an die SPD: „Allein schaffen wir keinen Machtwechsel“, mahnte Porsch.

„Nicht-Sachse“ Milbradt wird ins Visier genommen

Die Angesprochenen tagten zur gleichen Zeit in der Coswiger „Börse“. Doch das sozialdemokratische Spitzen-Duo um Fraktionschef Thomas Jurk und SPD-Chefin Constanze Krehl wollte auf die Offerte nicht reagieren: Über Koalitionen werde nach der Wahl entschieden. Beide umgingen damit einen unausgestandenen Konflikt. Während Jurk Rot-Rot nicht ausschließen will, stellt sich Krehl heftig gegen diese Option.

Doch in Coswig gab es für die SPD zunächst keinen Grund, darüber zu streiten. Weil die eigene Landesliste erst im Juni aufgestellt wird, galt der Parteitag vom Wochenende allein dem Wahlkampfprogramm. Da kam es bei den Delegierten bestens an, dass sich Krehl und Jurk kämpferisch gaben. Man wolle und werde gewinnen, riefen beide trotzig in den Saal, obwohl eine aktuelle, von der SPD in Auftrag gegebene Umfrage die Partei nur bei 17 Prozent sieht. Was in anderen Bundesländern Betroffenheit auslösen würde, gilt bei Sachsens Sozialdemokraten jedoch als Hoffnungsschimmer. Wenn man nun im Wahlkampf erfolgreich Themen wie Bildung, Wirtschaft und Arbeit in den Vordergrund stellt, werde man noch mehr eine politische Alternative zur CDU, legte Jurk den erhofften Erfolgskurs fest.

Ungewöhnlich scharf attackierte dann auch die Parteichefin das amtierende CDU-Kabinett („Inkompetent, gehört wegen der vielen peinlichen Auftritte ins Guinness-Buch der Rekorde“) sowie Regierungschef Georg Milbradt. Dem warf sie vor, als „Nicht-Sachse“ kein Gefühl für die Sorgen der Bevölkerung zu haben. Jurk attestierte weniger brachial: „Die SPD ist näher am Volk.“

Als Jurk schließlich 92 Sekunden stürmischen Beifall erhielt, lobte er noch glücklich die „hervorragende Stimmung in der Partei“. Die erhielt danach aber einen herben Dämpfer. Der klaren Kampfansage der SPD-Spitze folgten nämlich nicht alle Delegierten. Zwar stimmten sie dem Wahlkampfprogramm zu, allein die Präambel, die die regierende CDU zum Hauptgegner erklärte, wurde gekippt – auch eine Antwort auf den internen Koalitionskonflikt. S.1
(Von Gunnar Saft)

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