Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.05.2004

Wirbel um Flutakten

Vorwurf: CDU-Abgeordnete ließ sich Privatweg mit staatlichen Hilfsgeldern sanieren
 
Die Kritik des sächsischen Rechnungshofes traf die zwölf Landkreise und Gemeinden in der vergangenen Woche meist unerwartet. In einem internen Prüfbericht präsentierten die staatlichen Kassenprüfer erstmals Fälle eines missbräuchlichen Umgangs mit Fluthilfegeldern.

Die erste Reaktion der betroffenen Kommunen fiel jedoch anders aus, als es die vom Rechnungshof eingesetzten Kontrolleure – darunter erfahrene Tiefbauer und Ingenieure – erwartet hatten. Statt schlüssiger Erklärungen gab es aus den Rathäusern massive Schelte. Die Prüfer hätten nur oberflächlich hingeschaut und würden nun zu Unrecht kritisieren, war vor allem aus der Landeshauptstadt Dresden und aus Grimma zu hören.

Grimma: Verwendung von einer Million Euro strittig

Ob sich dieser Vorwurf auf Dauer halten lässt, erscheint Insidern allerdings fraglich. Die im Prüfbericht aufgezählten Fakten sprechen nämlich oft genug eine andere Sprache. Allein im Fall der Muldestadt Grimma gibt es viele Fragezeichen. Noch nicht restlos geklärt ist zum Beispiel der Einsatz von rund zwei Millionen Euro, die die Stadt zur Reparatur von Gemeindeverbindungsstraßen nachträglich aus dem Fluthilfetopf beantragte und zunächst auch genehmigt bekam. Die Rechnungsprüfer bemängeln heute jedoch bei einem Teil der damaligen Förderprojekte nicht nur die so genannte Schadenskausalität – also den Zusammenhang zwischen dem angegebenen Reparaturaufwand und dem tatsächlichen Wasserschaden – auch der Vorwurf der illegalen Doppelförderung für verschiedene Bauprojekte steht im Raum. „Die Verwendung von mindestens einer Million Euro ist strittig“, bestätigt ein Beteiligter.

Ähnlich misstrauisch ist man im Fall der Gemeinde Hartmannsdorf bei Zwickau. Nachdem Dresden die Förderquote für die Beseitigung von Schäden an der kommunalen Infrastruktur von 90 auf 100 Prozent heraufgesetzt hatte, schnellte dort der Bedarf nach Hilfsgeldern in ungeahnte Höhe: Die Nachforderungen aus Hartmannsdorf lagen plötzlich 500 Prozent (!) über den ursprünglich angemeldeten Flutschäden.

Bei ihren Kontrollen stießen die Prüfer auf viele Ungereimtheiten. So waren in dem Erzgebirgsdorf mit Hilfe der Flutgelder nicht nur Straßen verlegt und völlig neu gebaut worden. Ohne Genehmigung erfolgte auch der Umbau einer schlichten Container-Unterkunft zu einem schmucken Sport- und Sozialgebäude. Zudem vermuten die Prüfer Verstöße gegen das Vergaberecht, nachdem der stellvertretende Hartmannsdorfer Bürgermeister bei etlichen Projekten mit seiner eigenen Firma zum Zuge kam.

Noch mehr stößt den Rechnungsprüfern allerdings ein Vertrag auf, den sich die Gemeinde Hartmannsdorf am 21. Mai 2003 von einem Notar beglaubigen ließ. Inhalt des Papiers: Ein bis dahin privater Feldweg wurde ein Dreivierteljahr nach der Flut zur kommunalen Straße erklärt. Damit war der Weg frei, um bei der Sanierung auf staatliche Fördergelder zurückzugreifen.

Dubioser Vertrag sorgt im Wahljahr für Unruhe

Pikanterweise soll mindestens eines der anliegenden Grundstücke der Hartmannsdorfer Bürgermeisterin Kerstin Nicolaus gehören. Der ehemalige Privatweg, der bei der Flut keine extremen Schäden erlitten haben soll, ist inzwischen für fast 70 000 Euro zu einer drei Meter breiten Betonpflasterstraße samt Kanälen für Trink- und Abwasserleitung ausgebaut worden.

Ein Fall, der im Wahljahr besonders der sächsischen CDU Sorgen macht, denn Kerstin Nicolaus ist seit 1994 Abgeordnete im Landtag und will ihr Mandat im Herbst erneut verteidigen. Einen Vergleich mit der Affäre um die ehemalige Sozialministerin Christine Weber, die wegen der umstrittenen Nutzung von Flutgeldern für ihr Privathaus gehen musste, lehnt man aber strikt ab. „Wenn die Vorwürfe stimmen sollten, wäre diese Sache schlimmer.“
(Von Gunnar Saft)

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