Sächsische Zeitung, 27.05.2004
Weitere Verdachtsfälle: Ministerium überprüft alte Förderbescheide
Opposition: Organisierter Missbrauch
Die Betrugsaffäre um die Qualifizierungsfirma QMF stellt die gesamte Förderung von Beschäftigungsgesellschaften unter Ex- Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) in ein schlechtes Licht.
Das Wirtschaftsministerium überprüft sämtliche etwa 80 Bewilligungen von Fördermitteln, die in früheren Jahren von seiner inzwischen aufgelösten Abteilung V erteilt wurden. Bei einigen hat sich bereits herausgestellt, dass sie „revisionsbedürftig“ sind. Das räumte Minister Martin Gillo (CDU) gestern in einer Regierungserklärung zu der QMF-Affäre im Landtag ein.
Das Kürzel steht für Qualifizierungsgesellschaft für Mikroelektronik und Fahrzeugbau. Sie war 1998 beim Verkauf des staatseigenen Zentrums für Mikroelektronik Dresden (ZMD) an die Sachsenring AG gegründet und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von 26,4 Millionen Euro gefördert worden. Inzwischen sitzen der damalige Abteilungsleiter Hans N. und der frühere QMF-Geschäftsführer Helmut S. unter Untreueverdacht in Untersuchungshaft.
Gillo nannte gestern selbst zwei Richtungen, in die die Vorwürfe gehen: nämlich gegen Mitarbeiter des Ministeriums sowie gegen den Bildungsträger. Den zentralen Verdacht lenkte er auf die Verantwortlichen von QMF. Sie hätten dafür gesorgt, dass Personalkosten für 140 ZMD-Mitarbeiter bei Weiterbeschäftigung im Betrieb durch ESF-Mittel ersetzt wurden. Zugleich sei es unklar, ob die von QMF abgerechneten Qualifizierungsmaßnahmen überhaupt erbracht wurden.
Die Opposition machte dagegen vor allem die Regierung für Fehlleistungen verantwortlich. PDS-Fraktionschef Peter Porsch sprach von Betrug „zumindest mit Wissen und unter Duldung der Staatsregierung“. Es habe einen „organisierten Missbrauch“ in einem „Netzwerk eines Ex-Ministers, seiner Ex-Staatssekretäre“, von Spitzenbeamten und Geschäftsführern gegeben.
SPD-Wirtschaftsexperte
Karl Nolle sprach von einem „Saustall“, den Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) mitgebracht habe. Mit Vorsatz seien Fördermittel zweckentfremdet worden, um Beschäftigte „zu parken“, und zwar „sehenden Auges“ seitens der Regierung.
Gillo war bemüht, Minister, auch den damals für Finanzen verantwortlichen Milbradt, aus der Schusslinie zu halten. Zur QMF-Gründung beim ZMD-Verkauf sagte er: „Dieser Ablauf war nach den uns vorliegenden Akten und Aussagen nicht Gegenstand der Kabinettsbefassung oder interministerieller Gespräche auf Ministerebene.“
Die weitere Aufklärung im Sachsenring-Untersuchungsausschuss verzögert sich voraussichtlich. Heute will das Gremium die Anforderung aller Unterlagen rings um QMF und ZMD anfordern. Die CDU beantragt dazu, die Zeugenvernehmung von Ex-Minister Schommer und des ehemaligen Sachsenring-Chefs Ulf Rittinghaus vom 2. auf den 21. Juni zu verschieben.
Die Regierung zog noch eine Konsequenz aus dem vermuteten Missbrauchsfall. Sie will ESF-Mittel nur noch bei optimalem Effekt für Wirtschaft und Arbeitsplätze einsetzen.
(Von Stefan Rössel)