Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 19.07.2004

Immer nach Schema QMF

Ex-Staatssekretär wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe / Gläubiger treffen sich heute
 
Während Staatsanwalt und Antikorruptionseinheit Ines wegen des Verdachts auf Untreue und Subventionsbetrug ermitteln, treffen sich heute die Gläubiger der insolventen Qualifizierungsfirma QMF.

Dresden. Im Regal ganz unten, vierter Ordner von rechts. Dort steht die Akte "QMF", umrahmt von den Fällen "Pilz" und "Sachsen für Sachsen". Wo? Im virtuellen Bücherbord unter www.schwarzerfilz.de. Gut möglich, dass die Sammlung von Karl Nolle, für die SPD umtriebiger Chefaufklärer in Sachsens Landtag, in den nächsten Wochen durcheinander gerät. Immerhin rückt die Landtagswahl näher. Bei den Gläubigern jener von Staatsanwalt und Sonderermittlern verfolgten Qualifizierungsgesellschaft steht der Hefter schon jetzt in Reichweite: Heute ist Gläubigerversammlung.

Für die Ermittlungsbehörden dürfte der Termin kaum Neues bringen. Der Freistaat indes, Hauptbeteiligter bei dem vermeintlichen Subventionsskandal, könnte schon erfahren, ob er seine 21-Millionen-Forderung gegen die QMF Dresden GmbH Qualifizierung für Mikroelektronik und Fahrzeugtechnik in den Wind schreiben kann.

Zur Erinnerung: Nach jahrelanger erfolgloser Investorensuche verkaufte der Freistaat Ende 1998 den Chiphersteller Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) an den Zwickauer Autozulieferer Sachsenring AG (SAG). Als Mitgift wurde ein "negativer Kaufbetrag" von 14,83 Millionen Euro ausgewiesen. In den Jahren zuvor waren bereits 153 Millionen Euro an Steuerzahlergeld in den Staatsbetrieb geflossen. Zum Deal gehörte auch, dass überzählige Mitarbeiter in einer mit Fördergeldern von EU und Sachsen finanzierten Beschäftigungsgesellschaft aufgefangen werden sollten (siehe Faksimile-Auszug aus dem Vertrag). QMF hieß die Neuschöpfung ohne Ausschreibung und hatte 250 Mitarbeiter. Die Dozenten waren so fleißig, dass sie länger ausbildeten, als ein Tag Stunden hat. Das jedenfalls besagten Abrechnungen mit Stundensätzen von bis zu 143,45 Euro - zuzüglich Reise- und Übernachtungskosten, denn die Leute kamen teilweise aus Hamburg und Bremen.

Das Unrechtsbewusstsein hält sich in Grenzen

Später baute auch Sachsenring Personal ab und übergab es der QMF. Die meldete 2004 Insolvenz an, nachdem das Wirtschaftsministerium (SMWA) im August 2003 die Zahlungen gestoppt hatte. Grund: die späte Erkenntnis, dass gefördert wurde, was nicht förderfähig war. Das SMWA hatte aber schon 2002 Hinweise, dass die Fortzubildenden als "Praktikanten" weiter am alten Arbeitsplatz beschäftigt waren. Das sparte der SAG Lohnkosten und rief die EU-Kommission auf den Plan.

Dieser oder andere Makel könnten nun ähnlichen Projekten anhaften. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) kündigte an, 80 Fälle prüfen zu lassen. Staatsanwalt und Antikorruptionsbehörde Ines sehen ebenso Handlungsbedarf. Gegen 16 Beschuldigte wird wegen des Verdachts der Untreue und des Subventionsbetrugs ermittelt. Hans Neufischer, unter Gillos Vorgänger Kajo Schommer (CDU) Abteilungsleiter im Ministerium, und der Ex-QMF-Chef Helmut Stachel saßen zeitweise in Untersuchungshaft.

Das Unrechtsbewusstsein der Protagonisten hält sich auch zehn Wochen nach der Großrazzia in Grenzen. "Qualifizierungsgesellschaften waren Schema F", sagt Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Vehse zur SZ. "Sie waren Politik des Freistaats und im Konsens mit Opposition und Gewerkschaften", fügt er hinzu. All die vielen Kontrolleure bei den Rechnungshöfen der EU, des Bundes, des Freistaats und im Haushaltsausschuss des Landtags hätten ihren Segen gegeben. Dass QMF nicht richtig mit dem Geld umgegangen sei, stehe auf einem anderen Blatt - dass es herausgekommen sei zeige, dass die Kontrolle funktioniere. Angesichts der Konstruktion über eine Verwendungsnachweisprüfung, gehe alles erst hinterher, "aber das ist ein Kompromiss, den die Gesellschaft eingehen muss".

Anwälte von Beschuldigten sehen ihre Mandanten durch einen internen SMWA-Untersuchungsbericht entlastet, wonach die Spitze des Hauses keinen Druck bezüglich der Durchführung von QMF ausgeübt habe. Vehse betont, dass er "eine, nicht diese" Beschäftigungsgesellschaft gewollt habe. Der Brüssel erfahrene Ex-Treuhandmann ein Bauernopfer? "Nein", sagt der, " da würde ich mich zu klein machen."
(Von Michael Rothe)

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