DNN/LVZ, 07.08.2004
Der Ex-Popbeauftragte und die Volks-Leere
Einer ist gekommen. Der junge Mann trägt ein rotes T-Shirt, roter noch als das Rot der SPD-Fahnen. Ein Fall von arglistiger Täuschung. Der 23-Jährige, der sich schräg gegenüber der roten Fahnen und dem roten Rednerpult positioniert hat, ist ein Schwarzer. "Ich bin bei der Jungen Union", sagt der Rheinland-Pfälzer, der die Ankündigung einer Kundgebung mit Sigmar Gabriel gesehen hatte und deshalb zur Altmarktgalerie gefahren ist. "Als Opposition" - damit meint er die CDU - "ist es wichtig, auch die andere Seite zu hören". Aber die lässt heute gar nichts hören. Gabriel, der die Parteifarbe nach innen trägt (als Jackettfutter), hat sich spontan entschlossen, lieber zu gehen - und zwar zur Frauenkirche - statt ohne Publikum zu reden. "Schade", sagt der Junge-Unionler, der gern etwas dazu gelernt hätte. Aber der Ex-Ministerpräsident von Niedersachsen ist es nicht gewohnt, wie das Mitglied einer politischen Splittergruppe behandelt zu werden. So oft ist er nicht in Sachsen. Und dass sich vor einer Kundgebung so gar kein Volk versammelt, scheint für ihn neu. Nach Bedeutung sieht nur der Security-Beauftragte des Einkaufszentrums aus, der sich vor dem SPD-Stand aufgebaut hat und bedrohlich guckt. Aber nicht einmal Eierwerfer sind da. Was will man mehr über den Zustand einer Regierungspartei sagen.
Womit man als Erklärung für die gescheiterte Veranstaltung das Wetter anführen kann - lieber baden gehen als zur SPD -, wenig Werbung und den sinkenden Promi-Status von Sigmar Gabriel. Der ist nicht einmal mehr der Pop-Beauftragter der Regierung. "Nein, das bin ich seit der letzten Vorstandswahl nicht mehr", sagt er. Und fügt hinzu: "Aber eigentlich war ich es auch nie." Die Logik dieser Aussage versteht wohl nur ein SPD-Mitglied. Von denen wenigstens war ein knappes Dutzend zum Treff an den Altmarkt gekommen, der eigentlich eine Wahlkampfveranstaltung hatte werden sollen. Für den Abend war eine Tour durch Neustädter Kneipen mit Sigmar Gabriel angekündigt. Am Nachmittag sagte er ab. Naja, er ist ja auch kein Pop-Beauftragter mehr.
(von H.Hannusch)