Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 26.08.2004

Chiphersteller ZMD drohen heftige Turbulenzen

 
Dresden. "Wenn Sie nicht in der Lage sind, vernünftige Fragen zu stellen, dann können wir das hier schnell beenden." So wetterte Ministerpräsident Georg Milbradt gestern durch den Saal A 600 im sächsischen Landtag. Gemeint war der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Sachsenring-Affäre, André Hahn. Das Gremium prüft, ob eine CDU-Kampagne vor den Wahlen 1999 möglicherweise indirekt mit staatlichen Geldern finanziert worden ist. Immer wieder piesackte der PDS-Politiker Hahn den CDU-Regierungschef mit Fragen nach der Bewertung verschiedener Umstände beim Verkauf des Halbleiterherstellers ZMD an die Sachsenring AG, die später die Kampagne "Sachsen für Sachsen" finanzierte. "Sie haben mich nur nach Fakten zu fragen." Die Fakten, die zur Sprache kamen, machen Milbradts Ärger verständlich.

Neue Unterlagen lassen den Umgang des Freistaates mit staatlichen Zuschüssen an den Dresdner Halbleiterhersteller ZMD in äußerst fragwürdigem Licht erscheinen. Sie legen sogar den Verdacht nahe, dass der Freistaat versucht hat, die Europäische Kommission über den wahren Umfang der Beihilfen zu täuschen. 42 Millionen Mark sollten offenbar verschleiert werden. Bestätigen sich die Vorgänge in dieser Weise, könnte dies das heute florierende Unternehmen noch in Turbulenzen stürzen.

In einem vertraulichen Papier zu den Beihilfeprüfungen der EU an den Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Wolfgang Vehse, und den Wirtschaftsminister, Kajo Schommer, wurde der Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik, Ulrich Schlicht, überaus deutlich. Am 16. Mai 2000 schreibt er an seine Hausspitze, dass es das vorrangige Ziel sein müsse, "die Eröffnung eines Hauptprüfverfahrens zu vermeiden". Bei einem solchen Verfahren bei der EU würden "zwangsläufig auch Zahlungen des SMWA an ZMD zur Sprache kommen". 42 Millionen Mark (21,5 Millionen Euro) seien aus Mitteln für Forschung und Entwicklung (F/E) an das ZMD geflossen, die "nicht unmittelbar mit F/E-Projekten im Zusammenhang standen". Gegenüber Brüssel sollten diese Zahlungen unbedingt geheimgehalten werden. Und Schlicht schrieb auch unverblümt warum: "Ich rechne nicht damit, dass die EU über diese Zahlungen zur Tagesordnung übergehen und sie genehmigen wird."

In der Konsequenz erstellte das Ministerium dann auch Listen, in denen die 42 Millionen fehlen. Zudem wurde im Ministerium verabredet, der EU nur unverfängliche Protokolle zu schicken, in denen von den zweifelhaften Zuschüssen des Ministeriums an das ZMD keine Rede war.

Schlicht bezeichnete die Angelegenheit selbst als brisant. Dabei lag ihm jedoch offenbar der Eigentümer des ZMD mehr am Herzen als der Chiphersteller selbst. Derzeit sei ZMD für Sachsenring die Cash-Kuh, beschreibt er in schönstem Denglisch, wie wichtig das Geld von ZMD für die Liquidität der SAG im Jahr 2000 war. Eine Rückabwicklung der Privatisierung von ZMD oder aber gar die Insolvenz von ZMD bliebe nicht ohne Auswirkungen auf die Sachsenring AG. Schlicht deutet damit an, welche Katastrophe es für ZMD sein könnte, wenn die EU dem Freistaat auf die Schliche kommt. Diese Gefahr ist bis heute nicht gebannt.

Milbradt hat nach eigenen Angaben von dem ganzen Vorgang erst in diesen Tagen erfahren. Überhaupt habe er mit dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses wenig zu tun gehabt. "Sie haben nichts in der Hand, ich war nichts", donnerte er Hahn entgegen, als es gerade mal wieder hoch herging.
(Ingolf Pleil)

Karl Nolle im Webseitentest
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