Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 26.08.2004

Wahlkampf auch im sechsten Stock

Im Untersuchungsausschuß versuchen PDS und SPD den CDU-Ministerpräsidenten in Schwierigkeiten zu bringen
 
Dresden. Sechster Stock, sächsischer Landtag. „Georg Milbrandt, 59 Jahre alt, Ministerpräsident, wohnhaft in Dresden." Unwirsch klingt es, wie der Zeuge seiner Vorstellungspflicht nachkommt. Sein Gegenüber genießt das. „In der 33. Sitzung des Untersuchungsausschusses haben wir noch einmal das Vergnügen", sucht Vorsitzender Andre Hahn eine süffisante Begrüßungsformel. Der PDS-Abgeordnete fühlt sich diesmal gut gewappnet. Denn Milbrandt hatte ihn schlecht aussehen 'lassen, als er im Dezember vergangenen Jahres schon einmal vor dem Ritthinghaus-Ausschuß aussagen mußte. Geschickt ließ der Ministerpräsident damals alle Fragen ins Leere laufen. Hahn hatte vergeblich versucht, eine Verbindung herzustellen zwischen dem früheren Finanzminister Milbrandt und angeblich dubiosen Finanztransaktionen beim Verkauf des staatseigenen Chipherstellers ZMD an die Sachsenring AG.

Diesmal liegen dem Vorsitzenden Hahn druckfrische Zeitungsartikel vor. Eine Regionalzeitung listet auf, wie mit Hilfe der Qualifizierungsgesellschaft QMF zu Lasten des Steuerzahlers und zu Gunsten von ZMD und Sachsenring Lohnkosten gespart worden sein sollen, wie leitende Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums in das windige Modell angeblich einbezogen waren und wie an EU-Recht vorbei gearbeitet worden sein soll. Und über drei Seiten berichtet die Zeitschrift „Stern", rund 42 Millionen Euro Fördermittel seien zweckentfremdet worden, um bei ZMD Löcher zu stopfen.

„Die Regie stimmt", giftet Milbrandt in Richtung Hahn und schaut nach rechts, wo der selbst ernannte SPD-Skandalaufklärer Karl Nolle sitzt. „Was in den Zeitungen steht, steht in den Akten des Untersuchungsausschusses", wird der Ministerpräsident deutlicher. Nolle hat noch nicht das Wort. Eine Stunde vor der Ausschußsitzung wollte er mit den „Stern-Enthüllungen an die Öffentlichkeit gehen, ließ die Pressekonferenz aber kurzfristig absagen. Dafür präsentiert er im Ausschuß nun eine vorbereitete Strafanzeige. Sie richtet sich gegen Milbrandt, Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer, Ex-Staatssekretär Wolfgang Vehse und leitende Mitarbeiter des sächsischen Wirtschaftsministeriums. Nolles Vorwürfe sind, wie immer, starker Tobak: Schwere Untreue, Beihilfe zum Betrug, Bilanzfälschung beispielsweise.

Milbrandt wiederholt die Angaben aus seinem ersten Ausschuß Auftritt: Die Privatisierung von ZMD habe hunderte Arbeitsplätze und die Keimzelle des Mikroelektronik-Standortes Dresden erhalten. Von der Bildung der QMF als „Personalparkplatz" für ZMD habe er nichts gewußt. Lediglich als Kabinettsmitglied sei ihm bekannt geworden, daß die Rittdinghaus-Brüder die Entlassung von 120 Mitarbeitern geplant hätten. Diese sollten in einer Beschäftigungsgesellschaft weiterqualifiziert und bei positiver Veränderung der Auftragslage nach zwei Jahren wieder eingestellt werden. Als Finanzminister sei er für die Aktion, die mit 21,25 Millionen Euro finanziert wurde, weder zuständig gewesen, noch habe er davon Kenntnis gehabt.

Dann wurde es schlagartig laut. Milbrandt, den Faktenmenschen, brachten nämlich Hahns plumpe Fangfragen in Rage. Der CDU-Politiker forderte den PDS-Ausschußvorsitzenden deshalb auf, den „Wahlkampfmißbrauch" zu beenden: „Sonst gibt es hier einen Knall." Hahn hatte von Milbrandt wissen wollen, was er denn zu möglicherweise drohenden EU-Rückforderungen in zweistelliger Millionenhöhe „wegen des Fehlverhaltens der Regierung" sage. „Zuständig war die alte Regierung", antwortete Milbrandt und beschrieb, was QMF zur Affäre macht: Es habe sich nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme, sondern um eine verkappte Lohnsubvention gehandelt, die aber nicht den vertraglichen Bedingungen entsprochen habe. Auch Aufklärer Nolle konnte Milbrandt nicht aufs Glatteis führen. Dafür lieferte er aber den Spruch des Tages: „Manche Frage hat ihre Bedeutung, ohne daß ihre Antwort wichtig ist".
(von Hubert Kemper)

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