Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 30.08.2004

Schatten der Vergangenheit holen Milbradt ein

 
Dresden. In der Affäre um strittige Fördermillionen für den Chiphersteller ZMD gerät die sächsische Landesregierung weiter unter Druck. DNN vorliegenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Dresdner Wirtschaftsministerium vor sechs Jahren eine Kreditbürgschaft über drei Millionen Mark (1,53 Millionen Euro) bewilligte, obwohl es keine weiteren Staatsmittel für den Chiphersteller mehr geben sollte.

1997 hatte der damalige Finanzminister Georg Milbradt Ernst gemacht. Seit langem war ihm die üppige staatliche Förderung des ewig in den Miesen steckenden Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) ein Dorn im Auge. Er wollte einen Schlussstrich unter das Fördermittelwirrwarr oder den Verkauf des Unternehmens, das von Commerzbank und Dresdner Bank treuhänderisch verwaltet wurde. Deshalb ließ er am 22. April im Kabinett eine Kreditbürgschaft für ZMD durchfallen.

Wirtschafts-Staatssekretär Wolfgang Vehse, der damals mit anwesend war, konnte dies nicht verhindern. Da seine Verkaufsbemühungen erst Mitte 1997 richtig in Fahrt kamen, vermied man die ZMD-Pleite mit Kurzarbeit und anderen Sparmaßnahmen. Noch im Oktober 1997 bekräftigte Vehse, ZMD müsse bis zur Privatisierung ohne weitere Zuschüsse auskommen. Milbradt schien sich durchgesetzt zu haben.

Doch es kam anders. Wie erst jetzt bekannt wurde, gab der Freistaat im September 1998 eine Patronatserklärung zu einem Kreditrahmen von bis zu drei Millionen Mark ab. Bei einem Konkurs des ZMD wollte das Land in vollem Umfang dafür einstehen. Dafür gebe es die "Zustimmung" von Milbradt, wird im Wirtschaftsministerium damals festgehalten.

Damit holen Milbradt die Schatten der Vergangenheit heute wieder ein: Er wird die unbequemen Fragen zu ZMD nicht los.

Im Finanzministerium hieß es, Milbradt habe damals lediglich erklärt, es sei Sache des Wirtschaftsministeriums, "die Zahlungsfähigkeit des ZMD in geeigneter Weise rechtlich und finanziell abzusichern." Eine Zustimmung zu der konkreten Patronatserklärung sei dies nicht gewesen, erklärte Ministeriumssprecher Martin Oberacher gestern gegenüber DNN. Er wollte diesen Schritt nicht bewerten. Doch "durch die getroffene Maßnahme konnten im Übrigen mehrere hundert Arbeitsplätze gesichert werden", sagte er.

Mehrfach wurde das Patronat verlängert. Die Zuschuss-Lage um ZMD blieb damit auch nach dem Verkauf an die Sachsenring AG Ende 1998 unübersichtlich, möglicherweise sogar rechtswidrig. Laut Aktenlage gab es entsprechende Bedenken im Wirtschaftsministerium. Die Patronatserklärung sei eigentlich viel mehr, nämlich eine "klassische Bürgschaft" gewesen. Sollte die Europäische Kommission davon Kenntnis erlangen, so heißt es in einem DNN vorliegenden Aktenvermerk vom Juni 2000 aus dem Wirtschaftsministerium, "dürften wir uns unangenehmen Fragen ausgesetzt sehen." Eine weitere Verlängerung des Patronats ohne Wissen der EU würde "eine nicht genehmigte Beihilfe" darstellen.

Dabei sorgten schon andere Summen für massive Sorgen in der Beamtenschaft des Wirtschaftsressorts. 42 Millionen Mark waren zwischen 1993 und 1996 als Förderung für Forschung und Entwicklung an das ZMD geflossen. Sie wurden offenbar in die Liqudidität gesteckt und sollten nach Aktenlage vor der EU verheimlicht werden. DieserVerdacht war vor einigenTagen bekannt geworden (DNN berichteten). Allerdings hatte Sachsens früherer Wirtschaftsminister Kajo Schommer jeden diesbezüglichen Vorwurf dementiert. Seiner Ansicht nach lagen damals alle erforderlichen Anträge einschließlich der EU-Genehmigungen vor.

Die verkappte Bürgschaft für den 3-Millionen Mark-Kredit jedoch wurde - trotz derBedenken im eigenen Haus - verlängert, mindestens bis zum 31. März 2001. "Im Ernstfall treten wir ein", hielt Staatssekretär Vehse Zweiflern entgegen.

Das könnte ihm jetzt auf die Füße fallen. Die Unterlagen liegen seit einiger Zeit bei der Staatssanwaltschaft, die bereits wegen des Skandals um die Qualifizierungsgesellschaft QMF gegen Vehse ermittelt.
(Ingolf Pleil)

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