Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 25.09.2004

Kulturschocktherapie

Kolummne Sächsisch betrachtet
 
KOMMENDE Woche beginnen also die Koalitionsverhandlungen. Für beide Seiten ein Kulturschock: Die CDU muss die ungeliebte SPD mitregieren lassen, die SPD muss mitregieren. 14 Jahre lang hat man sich mehr oder weniger beharkt – kehrt jetzt sächsische Gemütlichkeit am Kabinettstisch ein? Schon im Kleinen wird der Kulturschock schwer sein. Schließlich hatte Milbradt in seinem Kabinett das vertrauliche Du verordnet. Lässt sich das durchhalten? Man stelle sich etwa folgenden Dialog vor. SPD-Minister: „Georg, ich musste dich leider mal wieder anzeigen, weil du dem Freistaat schwer schadest.“ CDU-Ministerpräsident: „Weißt du, dafür habe ich vollstes Verständnis. Es dient ja dem Wohle Sachsens.“ Tja, was klingt besser: „Du Idiot!“ oder „Sie Idiot!“?

AUCH der neue Umgang im Landtag wird schwierig. Verständlich beispielsweise, dass niemand neben der rechtsextremen NPD sitzen will. Nach der üblichen politischen Geographie müssten die Nazis rechtsaußen sitzen, was die PDS mit Nachdruck fordert. Allerdings müssten dann auch die Sozialisten nach ganz links ziehen, was nach deren Angaben bisher die SPD verhindert hat. Will die jetzt neben dem wahrscheinlichen Koalitionspartner CDU sitzen? Aber in die Mitte gehört ja eigentlich die FDP . . . Und wo sitzen eigentlich die Grünen? Auf dem Rasen vor dem Landtag? Vielleicht ist die freie Platzwahl ja eine geeignete Lösung. Die Aussicht, bei rechtzeitigem Erscheinen ganz vorn sitzen zu dürfen, dürfte vielleicht sogar manchen Hinterbänkler wieder zu regelmäßiger Teilnahme an Plenarsitzungen anspornen.

DER Unterschied zwischen den Abgeordneten könnte zumindest optisch von der Besuchertribüne hinter den Abgeordnetenbänken bald gar nicht mehr auffallen, wenn alle denselben Schneider haben. Gleich mehrere Kandidaten und jetzige Abgeordnete haben Post einer Schneiderei aus dem Dresdner Umland bekommen, dass gutes Aussehen für einen Politiker ungeheuer wichtig sei. Vom Maßanzug bis zur Landhausmode könne man alles feilbieten, was gewünscht werde, las beispielsweise der FDP-Abgeordnete Torsten Herbst. Nun macht sich Herbst Sorgen, ob er wirklich bisher so schmuddelig herumgelaufen ist. Nun, warten wir die erste Plenarsitzung ab . . .

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: