Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.11.2004

Im CDU-internen Zwist gewinnt Milbradt Zeit

 
Dresden. Als Georg Milbradt gegen Samstagmittag zum Schlusswort auf die Bühne schreitet, geht ein Raunen durch den Saal. "Ich will's nicht mehr lange machen", entfährt es Sachsens CDU-Chef. Und obwohl er damit nur die Dauer seines Redebeitrags meint, haben die Delegierten die Doppeldeutigkeit sofort erkannt. Manche auf dem CDU-Parteitag in Dresden lachen leise, andere tauschen fragend Blicke aus. War das bloß ein drolliger Versprecher - oder doch das heimliche Motto des Konvents?

Offizielles Thema des Parteitags ist der Koalitionsvertrag mit der SPD. Doch im Vorfeld geriet auch Milbradt heftig unter Druck. CDU-Kreisverbände kritisierten das Vertragswerk, andere - wie die Junge Union - den Umgang der Parteispitze mit dem Wahldebakel. Auf dem Parteitag selbst ist davon wenig zu vernehmen, offiziell zumindest. Satte 94 Prozent stimmen für das Bündnis mit der SPD, und auch sonst sind kritische Stimmen Mangelware - keine Brandrede von Biedenkopf-Anhängern, keine schneidigen Attacken von Jung-Abgeordneten. Lediglich Peter Jahr aus Mittweida verweist auf den "bitteren Beigeschmack" durch den Verlust des Wirtschaftsministeriums. Nun treibe ihn die Sorge um, dass "wir das Mittagessen kochen und die anderen es verkaufen.

Genau das trifft den untergründigen Frust vieler Christdemokraten, die eher ein anderes Ressort abgegeben hätten. Und auch während Milbradts Auftritt auf dem Parteitag grummeln und plaudern viele Delegierte lieber. Dabei hat sich Milbradt durchaus darauf eingestellt. Einen Teil seiner Rede hat er kurz zuvor noch aus dem Manuskript gestrichen, setzt auf offene Worte statt auf bloße Weihestimmung. "Das ist kein Parteitag nach unseren Wünschen", lautet sein Motto, "nach den Stimmverlusten können wir nicht zur Tagesordnung übergehen."

Als Konsequenz daraus soll Generalsekretär Hermann Winkler nun bis zum 13. Dezember ein Papier zur Verbesserung der Parteiarbeit vorlegen sowie auf drei Regionalkonferenzen und einem Sonderparteitag im nächsten Jahr die aufgewühlte Basis sprechen lassen. Gleichzeitig warnt Milbradt aber davor, "unnötig Porzellan zu zerschlagen.

Diese Stoßrichtung hatte der erweiterte Landesvorstand noch am Freitagabend beschlossen. Indem sich die Delegierten einen Tag später dahinter stellen, ist der gärende Konflikt vertagt. Die Kritiker sind vorerst eingebunden, Milbradt und Winkler haben Zeit gewonnen - zumindest bis zum Frühjahr. Intern aber ist klar, dass der Riss spätestens dann wieder aufzubrechen droht, wenn neue Wahlen anstehen. Das könnte bereits in einem Jahr der Fall sein, wenn der Landesvorstand auf dem Programm steht.

Vorerst aber muss Milbradt seine Wiederwahl als Ministerpräsident am Mittwoch bestehen. 63 von 68 Stimmen der Koalition braucht er. Parteispitzen halten zwar "zwei oder drei Abweichler" für wahrscheinlich, die Milbradt-Mehrheit selbst aber sei nicht in Gefahr.

Unterdessen haben sich die Verhältnisse beim kleinen Koalitionspartner SPD umgekehrt. Nachdem sich die Genossen ein Jahr lang mit harten Personalkämpfen beschäftigten und bei der Wahl nur 9,8 Prozent holten, herrscht nun Harmonie pur. Bei nur einer Enthaltung stimmen die 135 Delegierten auf einem Parteitag am Wochenende ebenfalls dem Koalitionspapier zu. Gleichzeitig wählen sie Thomas Jurk mit fast 90 Prozent zum Vorsitzenden. Der Fraktionschef hatte sich im Laufe des Jahres gegen die frühere Vorsitzende Constanze Krehl durchgesetzt und als Parteichef amtiert. Jetzt gilt als sicher, dass er diese Woche zum Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten gewählt wird.
Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
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