Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 08.11.2004

CDU-Parteitag im Zeichen der Kröte

Murrende Zustimmung zum sächsischen Koalitionsvertrag mit der SPD - die sich als Sieger fühlt und feiert
 
Für die SPD war es das reine Vergnügen, die machtverwöhnte sächsische CDU jedoch kostete es große Überwindung: Am Wochenende stimmten beide Parteien mit großen Mehrheiten dem Koalitionsvertrag zu.

Dresden · 7. November · Sachsens Ministerpräsident hat hässliche Wochen hinter sich. Am 19. September stürzten Georg Milbradt und seine CDU bei der Landtagswahl von Wolke sieben auf 41 Prozent und mussten Koalitionsverhandlungen führen - ausgerechnet mit der SPD, dem zweiten großen Wahlverlierer, die bei 9,8 Prozent gelandet war und die man 14 Jahre nicht für voll genommen hatte. Dann führte das Schauspielhaus in Dresden Hauptmanns "Die Weber" in einer modernisierten Fassung auf, in der Milbradt ausdrücklich als "dumme Sau" beschimpft wurde. Schließlich, vergangene Woche, stänkerte ein Abgeordneter aus den CDU-Reihen: Man könne Sachsen nicht führen wie ein Statistisches Landesamt. Womit der dröge Stil Milbradts gemeint war.

Eine Menge Ärger also vor dem Landesparteitag, auf dem eine ernüchterte Union am Samstag dem Koalitionsvertrag mit der ungeliebten SPD zustimmen musste. 14 Jahre Alleinregierung, goldene Zeiten mit Kurt Biedenkopf, und jetzt das: Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium an die SPD verloren. Zugeständnisse bei der Schulversorgung, bei den Kindertagesstätten. "Das ist kein Parteitag nach unseren Wünschen", meinte Milbradt. So quälte sich die CDU mit der neuen Wirklichkeit - während sich die SPD als der große Sieger fühlte und am Samstag dem Vertrag mit 134 von 135 Delegierten zustimmte. "Es werden gute Jahre werden", rief Fraktionschef Thomas Jurk, der mit 88 Prozent zum Landesvorsitzenden gewählt wurde, seiner SPD zu.

Bei der CDU stimmten zwar mehr als 220 der 238 Delegierten zu, doch nur unter lautem Murren. Es war ein Parteitag im Zeichen der Kröte, die geschluckt werden musste. Milbradt hatte große Mühe, seine Leute auf die Zukunft mit den Sozialdemokraten einzustimmen. Vor allem der Verlust des Wirtschaftsministeriums, das wohl vom Sozialdemokraten Jurk geleitet werden dürfte, macht der CDU zu schaffen. Milbradt hielt eine lange ernüchternde Rede, voller Fragezeichen, in der er seine verschlafene CDU nicht schonte. "Bekommt die Partei noch mit, was die Leute denken?", fragte er. Man habe bayerische Ergebnisse gehabt, früher. Das sei vorbei und nicht mehr zu erreichen.

Auch wenn Milbradts Koalitionsvertrag am Ende die Mehrheit fand, überstanden hat es der Biedenkopf-Nachfolger noch nicht. Innerhalb der CDU wächst die Stimmung, dass mit dem trockenen Westfalen langfristig keine Wahlen zu gewinnen sind.

Am Mittwoch wird sich Milbradt im Landtag zur Wiederwahl stellen und muss dabei Nein-Stimmen aus den eigenen Reihen fürchten. Die CDU-Fraktion war immer schon für böse Überraschungen gut und ließ bei geheimen Abstimmungen gerne mal Dampf ab. "Ich warne davor, offen oder heimlich auf Neuwahlen zu spekulieren", mahnte Milbradt nun. Sollte es zu Neuwahlen kommen, habe die CDU nichts zu gewinnen. Es ist in offenes Geheimnis in Dresden, dass Milbradt aus diesem Grund strengstes Stillschweigen darüber hält, wer am Ende aus seiner CDU-Ministerriege ausscheiden wird. Erst nach seiner Wahl will er darüber sprechen. Wäre alles jetzt schon bekannt, wer weiß, ob seine dünne Koalitionsmehrheit von fünf Stimmen kippen könnte.
von Bernhard Honnigfort

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