Dresdner Morgenpost, 11.11.2004
Wer brockte Milbradt dieses Debakel ein?
Wahl des Ministerpräsidenten: Schock und Entsetzen unter den Demokraten
Katastrophaler Start für die schwarz-rote Koalition: Georg Milbradt (CDU) bekam im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten nicht genügend Stimmen. Er rauschte glatt durch! Mindes-tens fünf Stimmen der eigenen Koalition fehlten ihm. Im zweiten Anlauf reichte Milbradt die einfache Mehrheit. Erschreckend: NPD-Mann Leichsenring erhielt jeweils zwei Stimmen mehr, als seine Fraktion groß ist.
Kreidebleich und geschockt hörte Milbradt (59) Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) das Ergebnis des ersten Wahlganges verlesen: „Abgegebene Stimmen: 121, davon 19 ungültig, 26 Enthaltungen, 62 für Georg Milbradt, 14 für Uwe Leichsenring.“ Milbradt war durchgefallen! 63 Stimmen hätte er gebraucht - 67 hätte die Koalition von CDU und SPD allein schon aufbringen müssen. Mindestens fünf Koalitionäre hatten Milbradt damit die Gefolgschaft verweigert.
Der schlimmste Eklat aber: Milbradts Gegenkandidat von der rechtsextremen NPD, Uwe Leichsenring, erhielt zwei Stimmen mehr, als die NPD im Landtag Mandate hat. Mindestens zwei Demokraten haben somit für die NPD votiert.
Vor dem zweiten Wahlgang schockierte Gesichter in der Landtags-Lobby. Der voreilig ausgeschenkte Sekt blieb stehen. PDS, FDP und Grüne schlossen sofort aus, dass die beiden NPD-Stimmen aus ihren Reihen kamen. SPD-Fraktions-Chef Thomas Jurk: „Ich bin bestürzt, die zwei NPD-Stimmen schaden dem Ansehen des Freistaates. Die SPD-Fraktion hat geschlossen für Milbradt gestimmt.“
Umweltminister Steffen Flath (CDU) kopfschüttelnd: „Ich kann nicht verstehen, wie es dazu kam.“ Kunstmi-nister Matthias Rößler (CDU): „Ich hätte das nie für möglich gehalten, wir müssen das Wahlergebnis korrigieren.“ Erich Iltgen: „Ich bin entsetzt!“
Was von einigen als „Versehen“ oder als „Denkzettel für Milbradt“ gewertet wurde, bestätigte sich im zweiten Wahlgang: wieder nur 62 Stimmen für Milbradt, erneut 14 für Leichsenring. Doch diesmal war der CDU-Mann gewählt, die einfache Mehrheit der Abgeordneten reichte aus.
„Vor uns stehen schwierige Jahre“, sagte Georg Milbradt abgekämpft wirkend vor seiner Vereidigung. Später verriet er: „Ich habe ernsthaft geschwankt und überlegt, ob ich die Wahl überhaupt annehme. Es ist auf jeden Fall ein schwerer Start für uns!“
Von Jens Jungmann