DNN/LVZ, 30.11.2004
Neuer Spieler im Monopoly
Herzogenaurach/Leipzig. Jürgen Geißinger ist nicht irgendeine Spielfigur. Dafür ist der Vorstandschef der Herzogenauracher Ina-Schaeffler KG, immerhin eines der größten deutschen Industrieunternehmen, zu selbstbewusst. Zudem hat der Manager spätestens seit der feindlichen Übernahme des Wälzlager-Herstellers FAG Kugelfischer einen Ruf zu verlieren: Den des Zupackers, der Chancen und Risiken einer Operation sehr genau analysiert - und im Zweifelsfall den sichersten Weg zum Erfolg bevorzugt.
Doch im aktuellen Fall, an dem Geißinger hinter den Kulissen arbeitet, liegen zwischen Sieg und Scheitern mindestens 31,5 Millionen Euro. Der Top-Manager ist eines von drei Aufsichtsratsmitgliedern der Mitteldeutschen Leasing AG (MDL), um die sich die Landesbank Sachsen (Sachsen LB) bereits seit Monaten öffentlich und, flankiert von etlichen Gutachten, vor Gericht mit ihrem Minderheitsgesellschafter streitet.
Dieser, der Ex-MDL-Vorstandschef Ludwig M. Hausbacher, verfügt ganz offenbar über beste Kontakte (auch Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf trat in dem Streit bereits als Schlichter auf) und vor allem über klare Preisvorstellungen. Zwischen 33 und 40 Millionen Euro, ließ er über seinen Anwalt ausrichten, seien seine 49 Prozent an der im Tagesgeschäft gelähmten MDL wohl wert.
Diese Position teilt offenbar auch der von Hausbacher in den Aufsichtsrat empfohlene Jürgen Geißinger, der "im Detail nicht über Zahlen reden" will. Nur so viel: Eine "angemessene Abfindung", die "deutlich" über dem Angebot der Landesbank liege, sei durchaus angebracht. Schließlich, lässt Geißinger in diversen Gesprächen mit Journalisten einfließen, wurden sowohl die Reputation als auch das Geschäft der eigentlich grundgesunden MDL systematisch kaputtgemacht.
Das zielt auf die heutige MDL-Chefin Andrea Braun, die Lebensgefährtin des Sachsen-LB-Vorstandschefs Michael Weiss. Sie und ihr Amtsvorgänger Hausbacher werfen sich gegenseitig schwere Verfehlungen vor. Das Tischtuch zwischen den Hauptspielern, zu denen Geißinger auch noch den MDL-Aufsichtsratschef und Sachsen-LB-Vorstand Rainer Fuchs zählt, sei dermaßen zerrissen, dass ihm eine eigentlich sinnvolle gütliche Einigung äußerst unwahrscheinlich erscheine.
Einzige Ausstiegsoption ist für Geißinger eine "finanzielle Rege-lung" - je schneller, desto besser. Doch auch sein Verhältnis zu Rainer Fuchs ist vergiftet: Mindestens ein anberaumter Sitzungstermin des Kontrollgremiums der MDL platzte, weil der Aufsichtsratschef Geißinger nicht erlauben wollte, Berater hinzuzuziehen. Gleichzeitig fand der Ina-Manager seine Aussagen in den Sitzungs-Protokollen nicht korrekt wiedergegeben. Beim nächsten Aufsichtsrats-Treffen der Mitteldeutschen Leasing AG, das für den 7. Dezember anberaumt ist, wird deshalb ein Tonband mitlaufen.
Doch am Grundkonflikt wird das nicht viel ändern: Nach wie vor ist die Landesbank nach Informationen dieser Zeitung nicht bereit, auf Hausbachers - und Geißingers - Forderungen einzugehen. Maximal, heißt es im Haus, zahle das Institut 1,5 Millionen Euro für den 49-Prozent-Anteil - "inklusive Lästigkeitszuschlag".
Lars Radau