Sächsische Zeitung, 17.12.2004
Minister Jurk: "Ich bin kein Wundertäter"
Seine erste Sachsen-Tour als Wirtschaftsminister führte Thomas Jurk gestern in seine Lausitzer Heimat, wo er zahlreiche Forderungen hörte.
René Drabon, Udo Hertwich und Andreas Jachmann arbeiteten bis vor vier Jahren bei einer Firma in Boxberg. Als der Betrieb dicht machte, fackelten sie nicht lange und gründeten im nahen Rietschen ihr eigenes Unternehmen, die SMR Stahl- und Metallbau GmbH. Das war am 16. Dezember 2000, genau zu René Drabons 26. Geburtstag. Inzwischen arbeiten die Drei in ihrer Werkhalle zusammen mit zwei Angestellten und einem Lehrling, bauten unter anderem eine Treppe für ein Stadtteilzentrum in Dresden-Prohlis und Geländer für die neue Köln-Arena. Drei Viertel ihres Umsatzes erwirtschaften die Jungunternehmer in den West-Bundesländern.
Region den Rücken stärken
Auf den Tag genau vier Jahre nach der Firmengründung besuchte der sächsische Wirtschaftsminister die SMR, und natürlich brachte Thomas Jurk (SPD) anlässlich Geburtstag und Betriebsjubiläum einen Blumenstrauß mit. Und jede Menge Lob. „Leute wie sie machen schon Wunder wahr. Das kann ich nicht“, sagte der Minister. „Ich kann und will aber versuchen, zu helfen, so gut es in meiner Macht steht.“ Sätze, die der 42-Jährige sinngemäß nicht nur in Rietschen sagte, sondern überall zwischen Löbau und Weißwasser.
Bewusst hatte Jurk für seine erste Reise durch sächsische Regionen die Lausitz gewählt. „Ich will damit deutlich machen, dass ich meine Herkunft nicht vergesse, und auch dieser Region den Rücken stärken“, erklärte der gebürtige Görlitzer, der jetzt in Weißkeißel (Niederschlesischer Oberlausitzkreis) wohnt.
An seinem 35. Tag als Minister hörte Thomas Jurk ein ganzes Paket an Hoffnungen, Wünschen und Forderungen. In Löbau hofft Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) auf die schnelle und unbürokratische Genehmigung für den Bau eines neuen Biomasse-Heizkraftwerkes im Gewerbegebiet Kittlitz. Das Werk soll nachwachsende Rohstoffe verarbeiten – eine Ansiedlung, die Löbau nach der Schließung der Zuckerfabrik dringend brauchen kann. Seit zwei Jahren würden die Investoren schon versuchen, Fuß zu fassen, sagte das Stadtoberhaupt. „Wir hatten manchmal den Eindruck, dass uns im Wirtschaftsministerium nicht die richtigen Leute gegenüber sitzen“, gab Buchholz dem Minister mit auf den Weg. Der machte sich eifrig Notizen.
Auf der neuen Bundesstraße 178 durch das Dreiländereck können frühestens 2007 Fahrzeuge rollen, informierte Jurk in Löbau, wo ihn Demonstranten mit Forderungen nach einem schnellen Bau der Lebensader empfangen hatten. Allerdings haben Umweltschützer vor Gericht erreicht, dass über eine Änderung der geplanten Trasse im Raum Weißenberg nachgedacht werden muss: Dort würde die Straße sonst ein Schutzgebiet für seltene Vögel berühren.
Der Nieskyer Landrat Bernd Lange (CDU) bat den SPD-Politiker, das Wirtschaftsministerium möge die deutsch-polnischen Wirtschaftstage begleiten, die in diesem Jahr in Görlitz stattfinden. Und: Es dürfe nicht, wie im Vorjahr, fast parallel eine ähnliche Veranstaltung in der Landeshauptstadt geben. Beide Anregungen nahm Jurk mit nach Dresden. Ein Nebeneinander deutsch-polnischer Messen sei wahrlich nicht wünschenswert.
Nächste Tour ins Erzgebirge
In Weißwasser klagte Dietfried Binder, Geschäftsführer der Stölzle Oberglas Lausitz GmbH, dem Minister sein Leid über die ausufernde Bürokratie. „Es ist echt eine Belastung, wenn man irgendeine Genehmigung braucht.“ Jurks Stirn zog sich in Falten, er kennt das Problem, ohne viel daran ändern zu können. Aber wo er es kann, will er es tun, sagte er zu.
Von sturen Banken, die Lausitzer Unternehmern Kredite verweigern, berichtete Holm Große, Chef der Marketinggesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH (MGO). Jurk schüttelte verständnislos den Kopf. Er will die Banken dafür gewinnen, Mittelständler zu unterstützen statt zu blockieren. Als „sehr ärgerlich“ bezeichnete er nochmals Äußerungen von Deutsche-Bank-Volkswirt Klaus Günter Deutsch, wonach so genannte Leuchttürme mehr Förderung erhalten sollen als Regionen wie die Oberlausitz. Für den 27. Januar hat Holm Große den Banker eingeladen. Doch gerade an jenem Tag kann Thomas Jurk nicht dabei sein – er bereist das Erzgebirge, das in Deutschs Einschätzung auch nicht besser weggekommen war.
Von Tilo Berger