DIE WELT, 07.12.2004
Untreue-Vorwürfe gegen SachsenLB-Manager
Von Uwe Müller Leipzig - Die Landesbank Sachsen (SachsenLB) beschäftigt erneut die Justiz. Mehrere Spitzenkräfte des Instituts sind Untreue-Vorwürfen ausgesetzt. Wie die Staatsanwaltschaft Leipzig bestätigt, ist jüngst eine Strafanzeige eingegangen. Frei Haus wurde den Ermittlern das wichtigste Beweisstück mitgeliefert - ein vernichtendes Sonderprüfgutachten von Deloitte & Touche.
Die Münchener Wirtschaftsprüfer monieren bei der 51prozentigen Bankentochter MDL Mitteldeutsche Leasing AG gravierende Pflichtverletzungen durch das Management. Nachdem schon das Gutachten in der ersten Form derartige Rechtsverstöße aufgelistet hatte, hoffte die SachsenLB zunächst auf eine Korrektur. Vergeblich: Am 25. November hat Deloitte & Touche in einem ergänzenden Bericht "abschließend Stellung" genommen.
Das neunseitige Konvolut, das der WELT vorliegt, wirft ein bizarres Schlaglicht auf das Geschäftsgebaren der Landesbank. Vermögensverschiebung, Verletzung der Vorstandspflichten, Satzungsverstöße - so lauten zentrale Vorwürfe. Kommentar der Landesbank: Es handele sich "um falsche Bewertungen und falsche Rückschlüsse". Doch diese Bewertung der Bank, der nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, teilten die Prüfer nicht. Zu der Strafanzeige sagte ein Sprecher der SachsenLB, die Vorwürfe könnten nun in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden.
Davon abgesehen ist der Vorgang ein Politikum. Er trifft die SachsenLB zu ungünstigster Zeit. Denn ihr macht ein schlechtes Rating - ein "BBB+" - zu schaffen. Bedroht ist damit die Eigenständigkeit des Instituts. Fieberhaft wird nach Auswegen gesucht, am 10. Dezember beraten die Verwaltungsräte. Seitdem die sächsische CDU im Landtag auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, kann sich die Leipziger Bank auch nicht mehr auf die bedingungslose Rückendeckung aus der Politik verlassen.
Die in Dresden mitregierende SPD hatte die SachsenLB wegen diverser Affären - Vetternwirtschaft, Mitarbeiterbespitzelung und Dienstwagenaffären - früher mehrfach als "Skandalbank" bezeichnet und die Entlassung von Vorstandschef Michael Weiss gefordert. Auch gegen ihn richtet sich die aktuelle Strafanzeige.
Als Hauptverantwortliche benennt die Strafanzeige jedoch MDL-Alleinvorstand Andrea Braun. Der Lebensgefährtin von Weiss, die ohne Ausschreibung auf die Top-Position der Tochter gehoben worden war, bescheinigt der Prüfbericht, sie könne nicht für sich in Anspruch nehmen, "die Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt zu haben". Vorsätzliches Handeln wird ihr aber nicht vorgeworfen. Vorgeworfen wird ihr, eigenmächtig den Vertrieb der MDL eingestellt zu haben - das sei auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung "nicht mehr von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands gedeckt".
Daneben lasten die Prüfer Braun an, Auszahlungen zugunsten des Mehrheitsaktionärs vorgenommen zu haben. Daraus ergebe sich ein Rückforderungsanspruch von mindestens 6,2 Mio. Euro - bei einer "formalen Betrachtung" sogar von knapp 18 Mio. Euro. Geschädigte sei mit der IIL Industrie- und Immobilien Leasing GmbH die Minderheitseignerin. Sie hat Strafanzeige gestellt - auch gegen MDL-Aufsichtsratschef Rainer Fuchs, zugleich Mitglied im SachsenLB-Vorstand.
Die IIL verlangt, die "Auskehrung" rückgängig zu machen sowie die Abberufung von Braun. Am heutigen Dienstag tagt der MDL-Aufsichtsrat. Dabei dürfte es ziemlich turbulent zugehen. SachsenLB und IIL - beide hatten die Sonderprüfung in Auftrag gegeben - überziehen sich bereits seit Monaten mit gegenseitigen Schuldvorwürfen. Die SachsenLB behauptet, sie wolle den IIL-Anteil übernehmen. Doch für die 49 Prozent an der MDL, die sich in einem wirtschaftlich desolaten Zustand befindet, werde von der IIL unangemessen viel Geld verlangt - "mindestens 33 Mio. Euro".
Am heutigen Dienstag tagt der Aufsichtsrat der MDL Mitteldeutsche Leasing AG. Dabei dürfte es turbulent zugehen