Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.01.2005

Ein Rezept gegen die Intoleranz

Erfolgreich. CDU, PDS, SPD, FDP und Grüne haben in der Auseinandersetzung mit der NPD gelernt. Sie punkten nun mit Einigkeit und Würde.
 
Ganz allein steht er am Rednerpult. Cornelius Weiss, 71 Jahre klug und Alterspräsident des sächsischen Landtages. Allein und doch so stark. Mit ruhiger und eindringlicher Stimme zählt der Sozialdemokrat die Stationen jenes verheerenden Feuers auf, welches die deutsche Nazi-Diktatur vor über 60 Jahren in der Welt entfachte: Bücherberge, Synagogen, Städte wie Guernica oder Coventry und die Öfen von Auschwitz. Dann kehrte das Feuer nach Deutschland zurück. Ebenfalls ruhig, nun aber mit entschlossener Stimme fordert Weiss, allen in den Arm zu fallen, die schon wieder nach der Brandfackel greifen.

Vor ihm in der rechten Ecke bietet sich danach ein Bild des Jammers. Während sich die Abgeordneten der anderen Fraktionen für einen minutenlangen Applaus von den Plätzen erheben, weiß mancher der zwölf NPD-Parlamentarier gar nicht, wohin er schauen soll. Verzweifelt versucht sich ihr Fraktionskollege Jürgen Gansel im höhnischen Widerspruch: „Applaus-Seligkeit“ und „Kartell der Blockparteien“, schnorrt er wütend ins Saalmikrofon. Doch der Aufruf des jungen, aufgeregten Mannes zum politischen Kampf gegen eine von ihm erkannte Deutsch-Feindlichkeit im Landtag verpufft.

Klartext aus der rechten Ecke

Dieser Tag im sächsischen Parlament gehört der Demokratie. Das spürt die NPD bereits zum Sitzungsbeginn, als ihr Antrag auf eine Schweigeminute für die deutschen Opfer der Luftangriffe der Alliierten vom Parlament um einen wichtigen Aspekt ergänzt wird. Die Toten sollen geehrt werden. Doch die vereinbarte Schweigeminute gilt ausdrücklich allen Opfern des Nationalsozialismus. Auch das ist für die NPD offenbar deutsch-feindlich. Die Fraktion verlässt geschlossen den Sitzungssaal. Und während drinnen Stille herrscht, wartet man in der Raucherecke ab.

Was folgt, ist eine einstündige Auseinandersetzung über die Bewertung des anglo-amerikanischen Luftangriffs auf Dresden, der sich am 13. Februar zum 60. Male jährt. Dabei kann neben Gansel auch NPD-Fraktionschef Holger Apfel nicht überraschen. Es ist bei ihnen viel von Kriegsverbrechen und von Tätern die Rede. Deutsche Namen fallen in dem Zusammenhang jedoch nicht. Wer die Geschichte kennt, muss bei den Reden der beiden NPD-Abgeordneten sehr gute Nerven haben. Fast jeder Satz ist eine Provokation und sorgt im Landtags-Rund für Widerspruch. Der schlägt fast in Tumult um, als Apfel und Co. schließlich ohne Belege referieren, dass die Dresdner Todesopfer im Sinne einer „Siegergeschichtsschreibung“ bewusst heruntergerechnet würden, während man Zweifler an den jüdischen Opferzahlen sofort vor die Strafgerichte eines „Gesinnungsstaates“ zerre.

Die folgenden Ordnungsrufe des Landtagspräsidenten sind den vielen empörten Abgeordneten der anderen Fraktionen aber nicht genug. Ein Teil zieht sich zurück, andere bedrängen Erich Iltgen (CDU) zum noch energischeren Einschreiten. Er soll dem unwürdigen Schauspiel endlich ein Ende setzen.

Aber nur kurzzeitig steht diesmal das eigene Rezept gegen die Intoleranz der NPD – Einigkeit und Würde – auf der Kippe. Obwohl sich die Aufregung nur langsam legt, wird das Geschehen bald ruhiger analysiert. Es fallen deutliche Worte. Die NPD-Abgeordneten haben sich unter dem Schutz des Abgeordnetenmandats als „Parteigänger des Faschismus“ entlarvt, meint PDS-Fraktionschef Peter Porsch. Die FDP erkennt eine menschenverachtende Politik und eine Verhöhnung der NS-Opfer. „Die NPD hat die Maske fallen lassen, hinter der ihre nationalsozialistische Gesinnung zu Tage tritt“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle.

Ungewöhnliche Einigkeit im ansonsten so unnachgiebig streitsüchtigen Sachsen-Parlament. Ein skandalöser Tag, meinen einige. Ein wichtiger Tag, der Konsequenzen haben könnte, die Mehrheit. Nicht nur, weil die Staatsanwaltschaft jetzt den Vorwurf der Volksverhetzung durch NPD-Abgeordnete prüfen will. „Endlich agieren die demokratischen Parteien überzeugend“, atmen die Grünen auf.
Von Gunnar Saft

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: