DNN/LVZ, 27.01.2005
Der Eklat hat Spuren hinterlassen
Dresden. Der Vertreter auf dem Podium konnte seine klammheimliche Freude kaum verbergen. Es sei viel geschehen in den vergangenen 100 Tagen, sagte NPD-Fraktionschef Holger Apfel gestern leicht rosig angelaufen. Er wolle "ein Fazit ziehen" zur eigenen Arbeit, und das falle "ausgesprochen positiv" aus. Denn das eigene Konzept sei klar und aufgegangen: nationale Fundamentalopposition gepaart mit Sachpolitik. Die angestrebte "Polarisierung" im Landtag sei geglückt.
Das klang gut und war trotzdem übertrieben. Zwar ist es den Rechtsextremen seit der Septemberwahl in Sachsen gelungen, die anderen Fraktionen immer mal wieder vor sich herzutreiben. Doch der Eklat vom vergangenen Freitag im Landtag hat offensichtlich Spuren hinterlassen. Im Plenum hatten Apfel und der NPD-Jungabgeordnete Jürgen Gansel nicht nur NS-Verbrechen relativiert sowie die Bombardierung Dresdens 1945 als "Bomben-Holocaust" und alliierte Soldaten als "Massenmörder" bezeichnet. Sie hatten damit auch einen Skandal ausgelöst - mit bundesweiten Folgen.
Das sorgt nicht nur für Freude in der NPD. Mitte Februar sind Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, und die Rechtsextremen wollen die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Nach dem Eklat in Sachsen könnte das schwieriger geworden sein. Denn Apfel und - vor allem - Gansel dürften mit ihren Reden im Stakkato-Ton die politische Mitte verprellt haben. Die aber ist nötig für den Erfolg in Kiel. Die Debatten der vergangenen Tage waren Gansel gestern anzusehen. Kreidebleich saß der Ex-Burschenschafter aus Hessen auf dem Podium, versuchte sich in Schadensbegrenzung. Nein, er habe den Holocaust an den Juden in Nazi-Deutschland nicht geleugnet, sagte er zähneknirschend; er habe lediglich den Blick erweitern wollen auf die deutschen Opfer.
Das offenkundige Zurückrudern ist nicht der einzige Punkt, der der NPD derzeit zu schaffen macht. Zum Problemfall ist mal wieder der Abgeordnete Klaus-Jürgen Menzel geworden. Der hatte nicht nur Ärger mit Parteibeiträgen und ist rechtskräftig verurteilt (zwei Jahre auf Bewährung wegen Untreue), er zieht auch gern direkte Parallelen zu den Nazis. Seit Tagen kursiert in der grünen Landtagsfraktion ein Tonband-Mitschnitt einer Rede Menzels vom 27. November in Pirna. Kostprobe: "Und wie hat der Führer gesagt? Ein Karat härter als der Feind, das bringt den Sieg." Und dass Deutschland "an der Maas beginnt und an der Memel endet", gehört eh zum rhetorischen Arsenal von Menzel.
Das bringt vor allem Peter Marx in Zugzwang. Der NPD-Chef aus dem Saarland firmiert als OB-Kandidat in Leipzig, und seine Strategie ist klar: Mit Fußball, Freibier und Postwurfsendungen will der 47-Jährige die Messestadt erobern - aber eben nicht mit knallharten Sprüchen von ganz rechts außen. So forderte er gestern nicht zufällig Georg Milbradt zum TV-Rededuell auf. Der CDU-Regierungschef solle sich der "politischen Auseinandersetzung" mit der NPD stellen, meinte er, alles andere wäre "Feigheit vor dem Feind".
Dabei hat gerade auch Marx ein strategisches Problem. Wie die NPD-Führungskader Apfel und Gansel stammt er aus dem Westen, muss sich gegenüber den Alteingesessenen in Leipzig behaupten - nicht zuletzt Wolfgang Tiefensee (SPD). Und nicht nur das: Er hat auch schon Bekanntschaft mit der Justiz gemacht. Vor Jahren hat Marx eine Geldstrafe erhalten, wegen Ungereimtheiten bei einer NPD-Unterschriftenaktion.
Jürgen Kochinke