Karl Nolle, MdL

SPIEGEL, Nr.6, 05.02.2005

AFFÄREN: Getarnte Risiken

Faule Immobilien und Vetternwirtschaft plagen die sächsische Landesbank. Droht ein Skandal wie bei der Berliner Bankgesellschaft?
 
Die Herren aus den sächsischen Sparkassenvorständen zeigten sich generös. Weitere 200 bis 250 Millionen Euro, so signalisierten die Banker Anfang Januar dem Vorstandschef der Sachsen LB, Michael Weiss, könnten sie für die Landesbank noch einmal zusammenkratzen, damit deren Existenz gesichert sei.

Doch die Finanzspritze knüpften die Sparkassenchefs an Bedingungen: Das Land müsse auch noch 250 Millionen Euro beisteuern - und die Landesbank nun endlich „für umfassende und objektive Transparenz" sorgen.

Daran hapert es gewaltig. Weder der Verwaltungsrat noch das sächsische Finanzministerium und schon gar nicht die an dem Landesinstitut beteiligten Sparkassen können vollständig über riskante Engagements der Landesbank im Bilde sein, die weltweit ein großes Rad dreht.

Unter der Führung des ehemaligen West-LB-Managers Weiss hat sich die Leipziger Bank zu einem verschachtelten Finanzkonglomerat entwickelt, mit Dutzenden von Beteiligungen, mit Tochter und Enkelgesellschaften. Manche dieser Firmen, sagt ein ehemaliger Spitzenmanager, sei eine regelrechte „black box". Bankinsider taxieren das Volumen der kritischen Engagements auf eine Milliarde Euro, eine Summe, die von der Bank weder bestätigt noch dementiert wird.

Bei Landtagsabgeordneten der Regierungsfraktionen CDU und SPD wächst die Unruhe. „Ich hoffe, dass die Zeitbombe nicht weitertickt", sagt Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU), und der SPD-Politiker Karl Nolle zieht in einem Dossier für seine Fraktionskollegen Vergleiche zum Berliner Bankenskandal 2002: „Das Beispiel der Berliner Bankgesellschaft hat gezeigt, was auf ein Land und seine Bürger zukommen kann, wenn ein außer Kontrolle geratenes landeseigenes Kreditinstitut in die Krise gerät." Einen Vergleich, den Banksprecher Frank Steinmeyer nicht nachvollziehen kann: „Wir sind profitabel, die Risikovorsorge ist ausreichend."

Fest steht, dass sich eine Reihe von Projekten der Leipziger Landesbanker als teure Fehlinvestitionen herausgestellt haben. So produzierte zum Beispiel der SachsenLB-Ableger Setis Bank AG, der den Wertpapierhandel für kleinere Sparkassen managen wollte, jährlich mehr als vier Millionen Euro Miese. Vor wenigen Wochen wurde die Banklizenz zurückgegeben.

Als Millionenverlustbringer erwies sich auch der gerade mal vier Jahre währende Ausflug der Sachsen LB ins Leasing Geschäft: Seit vorigem Jahr wickelt die Mitteldeutsche Leasing (MDL), die von der Bank gemeinsam mit dem bayerischen Leasing-Unternehmer Ludwig Hausbacher gegründet wurde, nur noch Altgeschäfte ab. Unter dem Strich ein Verlust für die Bank von mindestens 20 Millionen Euro. Der könnte noch anwachsen, denn der ehemalige Partner Hausbacher droht bereits mit einer Schadensersatzklage in zweistelliger Millionenhöhe. Die Landesbanker, so sein Vorwurf, haben das zu Beginn florierende Unternehmen ruiniert. Diese wiederum beschuldigen Hausbacher, das Geschäft gegen die Wand gefahren zu haben. Die Leipziger Staatsanwaltschaft will nun Klarheit in das Durcheinander bringen und ermittelt wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung gegen MDL Chefin Andrea Braun. Sie bestreitet die Vorwürfe.

Die Causa MDL macht zudem Mängel bei der Kontrolle deutlich. Seit Monaten erhält Finanzminister Horst Metz Hinweise auf Ungereimtheiten bei der MDL, und Ministerpräsident Georg Milbradt wurde sogar schon vor über einem Jahr auf die Probleme bei der Leasing-Tochter aufmerksam gemacht - pikanterweise von seinem Vorgänger im Amt, Kurt Biedenkopf, der Ex-MDL-Gesellschafter Hausbacher berät.

Als dann auch noch Hinweise über einen reichlich luxuriösen Dienstwagen des segelbegeisterten Bankchefs - einen Mercedes der S-Klasse samt Kupplung für den Bootsanhänger - an die Öffentlichkeit kamen, wurde Milbradt schon mal gegen Mitternacht im Vier-Augen-Gespräch mit Weiss im Dresdner Luisenhof gesichtet.

Noch weit prekärer für Bank und Staatsregierung dürften Vorgänge beim Immobilienmanagement der Sachsen LB sein. Diskret, aber trickreich haben die Leipziger Landesbanker Risiken aus notleidenden Finanzierungen für Häuser und Grundstücke in dreistelliger Millionenhöhe getarnt. Dazu gründeten sie im November 2002 das Unternehmen Real-Immobilien GmbH, unter Beteiligung des Hamburger Immobilienunternehmers Lutz Ristow.

Mittlerweile parkt die Bank diverse Immobilien in der Real, Einkaufszentren, Bürohäuser, Plattenbaukomplexe, die alle eins gemeinsam haben: Sie wurden von der Sachsen LB zumindest mitfinanziert, stehen meist leer, und ihre Investoren sind in aller Regel pleite. Einer der größten Brocken ist das städtische Kaufhaus in Leipzig. Über das Vehikel der Real will die Bank - diesen Verdacht legen interne Unterlagen nahe - nun für ihre Bücher aus solchen wertlosen Finanzierungen werthaltige machen. Schuldner ist nun nicht mehr irgendein Pleitier, sondern eine eigene Konzerntochter.

Wie das funktionieren könnte, wurde am Beispiel des Lippetor Einkaufszentrums im westfälischen Dorsten durchgerechnet: Der Kaufpreis, hier 12 Millionen Euro, wäre nicht etwa nach dem realen Wert der Immobilie, maximal 4,8 Millionen Euro, festgesetzt, sondern nach der Höhe der Altkredite. Finanzier wäre wieder die Sachsen LB, diesmal zu Konditionen von denen Normalbürger nur träumen können: 13 Millionen Euro zu zwei Prozent Zinsen, statt der üblichen fünf Prozent. Nur mit dem subventionierten Zins funktioniert der Deal, da die Real mit dem halb leerstehenden Einkaufszentrum den Kredit zu normalen Konditionen nie bedienen könnte. Vom SPIEGEL mit dem Modell konfrontiert, erklärte Banksprecher Steinmeyer, noch gebe es keine Finanzierungszusage, der Kaufpreis werde wohl „niedriger" ausfallen.

Doch ein anderes dubioses Geschäft ist besiegelt: 2003 kaufte Real zwei Bürohäuser in Dresden und Leipzig, die dem Partner Ristow zu einem Drittel gehörten. Mit zwei Geschäftsfreunden hatte sich der Hamburger in der Goldgräberzeit kurz nach der Einheit ein wenig verspekuliert.

Doch durch die Kooperation mit der Sachsen LB wendete sich das Blatt für ihn zum Guten: Für 72,7 Millionen Euro kaufte die Real im März 2003 die notleidenden Immobilien, finanziert zu 100 Prozent durch Kredite der Sachsen LB. Der von eigenen Gutachtern der Bank ermittelte Wert der Immobilien lag allerdings rund 43 Millionen Euro unter dem Kaufpreis.

Die Kredithöhe hält Bankvorstand Rainer Fuchs für rechtens: „Herr Ristow bot uns ausreichende Sicherheiten." Welche, will der Landesbanker unter Verweis auf das Bankgeheimnis nicht verraten.

Möglich, dass Fuchs damit eine Mietgarantie von Ristow bis zum Jahr 2013 meint. Nur die war schon, wie ein Vermerk vom Dezember 2002 belegt, den Fachleuten in der Kreditabteilung nicht ausreichend: „Die Aufrechnung der bestehenden Unterdeckung mit dieser Mietgarantie" sei „der best case und nur theoretischer Natur". Die Fachleute kamen denn auch zu einem ernüchternden Schluss: „Unter den gegebenen Risikogesichtspunkten" sei „der Antrag nicht vertretbar. Lediglich geschäftspolitische Erwägungen könnten unter Umständen eine Befürwortung des Engagements rechtfertigen".

So kam es denn auch. Am 17. Dezember genehmigte der Vorstand den Kredit, einen Monat später passierte er den Kreditausschuss. Schließlich trage Ristow mit seinem Engagement bei Real, so verklarte Sachsen-LB Vorstandschef Weiss seinen Mitarbeitern aus der Kreditabteilung, dazu bei, „Wertberichtigungen im Immobilienportfolio der Bank zu vermeiden beziehungsweise zu verringern".

Auch Freunde der Bankvorstände können auf solche „geschäftspolitischen Erwägungen" zählen. Andrea Braun, Lebensgefährtin von Vorstandschef Weiss, die ihre Karriere bei der Sachsen LB als Vorstandsreferentin begann, wurde 2003 Alleinvorstand bei der Banktochter Mitteldeutsche Leasing. Ihr Jahressalär bei dem Unternehmen, das gerade abgewickelt wird, beträgt mehr als 150000 Euro, zuzüglich Tantiemen, und das bei einer vereinbarten Arbeitszeit von vier Tagen pro Woche.

Für alte Kumpel von Bankvorstand Fuchs sind solche Vergütungen eher Peanuts. Claus-Harald Wilsing und Adrian Fitzgibbon, die Fuchs noch aus seinen Zeiten bei der Deutschen Girozentrale kennt und schätzt, managen für die Sachsen LB im fernen Dublin das internationale Geschäft. Die beiden Direktoren der Sachsen LB Europe dürfen an einem Vermögensbildungsprogramm der ganz besonderen Art teilnehmen: Gemeinsam mit zwei weiteren Spitzenmanagern der Dubliner Landesbanktochter gründeten sie die AC Capital Partners. Das Geld, das sie in dieser Vermögensverwaltungsgesellschaft durch geschickte Anlagestrategien mehren dürfen, kommt von der sächsischen Bank - zu Beginn waren es 100 Millionen, demnächst sind es 400 Millionen Euro. Dafür erhalten die Dublin-Manager eine Provision von zwei Prozent des Kapitals pro Jahr - ergo acht Millionen Euro. Anders, sagt Fuchs, könne man an solchen internationalen Finanzplätzen „Spitzenleute nicht halten".

Einem in viel kleineren Kategorien denkenden Sparkassenvorständler, der künftig mit seinen Millionen die schwankende Landesbank stützen soll, treiben solche Benefits die Zornesröte ins Gesicht. „Wenn ich so etwas meinen Gremien vorschlagen würde, die würden mich rauswerfen.“
Von Andreas Wassermann, Steffen Winter

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