tagesschau.de, 09.02.2005
Die NPD im Landtag
Experimentierfeld Sachsen
Die NPD will sich im sächsischen Landtag festsetzen. Damit das gelingt, überlassen die Rechtsextremen nichts dem Zufall. Sie haben ihre wichtigsten Denker nach Sachsen geholt. Hinter den Kulissen arbeiten sie die Wochenenden durch und achten besonders auf Kleinigkeiten. Nach den Sitzungen werden jedes Wort und jede Bewegung der eigenen Leute genau analysiert.
Peter Marx ist der wichtigste Mann im Hintergrund. Der Saarländer arbeitet als Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer der NPD, er kümmert sich penibel darum, dass alle NPD-Abgeordneten stets gut vorbereitet sind. Marx weiß, wie weit die rechtsextreme Partei gehen kann, ohne bestraft zu werden. Der Eklat um das Wort "Bomben-Holocaust" war kalkuliert. Seine Partei stehe zu dem, was sie sage, betont Marx. Die Äußerungen seien "korrekt" und "in Ordnung " Und er fügt hinzu: " Das ist vorher geprüft und nicht beanstandbar."
NPD freut sich über Fehleinschätzung
Sie kommen geschlossen und sie gehen geschlossen. Der NPD-Stab im Landtag will vor allem geordnet auftreten. Das Image eine Brandstifter-Partei soll abgelegt werden. Für ihre Fraktionsarbeit bekommt die NPD Monat für Monat 118.000 Euro vom Staat. Davon leistet sie sich zum Beispiel ein sechsköpfiges Beraterteam, das Karl Richter leitet, vorbestraft wegen Volksverhetzung. Er gibt sich selbstbewusst. Die anderen Parteien - sagt Richter - hätten keine Strategie. Offenbar hätten sie gedacht, so Richter, "hier kämen Baseball-schwingende Glatzkopfhorden hereingestürmt". Aber seine Parteifreunde könnten "sich benehmen" und "können sich artikulieren", sagt Richter: "Die haben uns offensichtlich unterschätzt."
In Richters Büro hängt ein Foto, das das NPD-Mitglied als Komparse im Hitler-Film "Der Untergang" zeigt. Ein Spaß, sagt Richter, der heute überbewertet werde. Es gehe viel mehr darum, jetzt neue Wähler zu finden, vor allem in Ostdeutschland - zum Beispiel in Chemnitz.
CDs sollen Jugendliche ködernDort hat erst vor zwei Tagen ein neuer Laden aufgemacht, mitten im Plattenbaugebiet. Das Geschäft heißt PC-Records. PC steht für Political Correctness - durchgestrichen, weil der Besitzer darauf keinen Wert legt. Öffentlich will er das nicht sagen, die Kamera muss draußen bleiben. Hinter den Mauern sollen auch verbotene CDs der rechten Szene verkauft werden.
500 Meter neben dem Laden steht eine Mittelschule. Besonders die jungen Leute will die NPD überzeugen. Petra Zais vom Mobilen Beratungsteam Chemnitz hat die Erfahrung gemacht: "Es ist in, rechts zu sein, es ist in, nationalistisch zu sein, ausländerfeindlich zu sein. Das fängt zum Teil schon bei 10- bis 11-Jährigen an, in Grundschulen ist es weit und stark verbreitet."
Deutschlands Grenzen verändern?Darauf baut die NPD. Sie schickt ihre Landtagsabgeordnete auch mal auf Neonazi-Demos - zum Beispiel im November in Pirna. Und dort sagt die NPD deutlicher, was sie wirklich will. Der Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel schreit seine Vorstellung von den Grenzen Deutschlands hinaus: "Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zur Mühle von Tauroggen Von der Königsau in Nord-Schleswig bis nach Brixen in Südtirol und keinen Quadratmeter weniger."
Für die NPD ist Sachsen zum Experimentierfeld geworden. Mit den Erfahrungen von hier will sie nächstes Jahr in den Bundestag einziehen.
Von Gabor Halasz, MDR