Freie Presse Chemnitz, 24.02.2005
Bankmanager auf Schleuderkurs
Verdacht der Dokumentenfälschung: Politik verliert Geduld mit SachsenLB-Führung
Dresden. Bei den Mitarbeitern der von Affären geschüttelten SachsenLB geht die Angst um. Fast flehentlich appelliert der Personalrat in einem Schreiben an die Fraktionschefs der im Landtag vertretenen Parteien, weiteren Rufschaden von der Bank abzuwenden. Den Politikern wird die Mitverantwortung für einen radikalen Stellenabbau angelastet, sollte das Unternehmen infolge der öffentlichen Auseinandersetzungen strategisch scheitern.
Die Furcht der Personalsratsvorsitzenden Christine Boragk teilen die Finanzfachleute im Landtag. Für den Auslöser der Krise bei der einzigen ostdeutschen Landesbank nennen sie aber eine hausinterne Adresse: den Vorstand der SachsenLB. Dessen Zeit scheint nach dem Bekannt werden neuer belastender Dokumente abzulaufen. Es sei nur noch eine Frage von Tagen, bis personelle Konsequenzen gezogen werden, hieß es gestern von führenden Politikern.
Die SachsenLB gilt als Lieblingskind von Ministerpräsident Georg Milbradt. Sie sichert ihm neben dem Prestige auch den Einfluss auf die Finanzierung für das Land strukturpolitisch wichtiger Projekte. Zudem verknüpfte er die Landesbank mit der Sachsen-Finanzgruppe, deren Sparkassen mit 82 Prozent Mehrheitseigner der Bank sind. Milbradt im Rücken wähnend, öffnete Michael Weiss, Vorstandschef der SachsenLB, neue, risikobehaftete Geschäftsfelder. Die Gründung der Leasing-Gesellschaft MDL, an der die SachsenLB 51 Prozent Anteile hält, zählt dazu. 49 Prozent gehören der IIL von Ludwig Hausbacher, einem engen Vertrauten von Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf.
Über die eskalierenden juristischen Auseinandersetzungen mit Hausbacher droht Weiss zu scheitern. Im März 2003 setzte er ihm als MDL-Vorstand den Stuhl vor die Tür. Damit war die Bahn frei für seine Geliebte Andrea Braun. Mit der alleinigen MDL-Chefin brach der Leasingumsatz weg. Das Neugeschäft wurde eingestellt, 2004 bescherte einen Verlust von 5,8 Millionen Euro bei einem Umsatz von 33 Millionen Euro.
Milbradt hielt seinem Bankchef Weiss auch nach einer Gerichtsschlappe die Stange. Am ii. Januar hatte das Oberlandesgericht Dresden gegen führende Bankmanager einen Verdacht ausgesprochen: Er deutete auf Urkundenfälschung, Prozessbetrug und Anstiftung zur Falschaussage. Zankapfel zwischen Weiss und Hausbacher ist ein Dokument, mit dem die Bank den rechtmäßigen Ablauf einer MDL-Hauptversammlung belegen wollte.
Zweifel an der Echtheit des Schreibens haben sich inzwischen verstärkt. Für eine mögliche Rückdatierung spricht die Verwendung eines internen Codes in der Fußzeile des Briefbogens, der erst Monate nach der angeblichen Versendung des Schreibens eingeführt wurde.
Die Situation ist nicht komfortabel", räumt Frank Steinmeyer, Sprecher der SachsenLB ein. Eine Fälschung schließt er aber aus. „Wer hat das größere Interesse am Ausgang dieses Falles?" dreht er den Spieß um. Hausbacher will von der SachsenLB 140 Millionen Euro fordern. In seiner Schadensersatzklage erhebt er den Vorwurf, rechtswidrig aus der MDL gedrängt worden zu sein. Auf den Vorschlag, den Wert seines Anteils von einem neutralen Dritten ermitteln zu lassen, sei Hausbacher nicht eingegangen, macht Steinmeyer geltend.
Klar erwiesen ist eine Fälschung aus Sicht von
Karl Nolle (SPD). Der Bank drohe die Ruinierung ihres Rufes „durch offensichtlich kleinkriminelle Bankmanager". Seine Zurückhaltung gibt nun Roland Weckesser (PDS) auf. Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Landtages fordert Milbradt auf, „Dampf aus der Sache zu lassen". Ansonsten sei ein Untersuchungsausschuss nicht mehr zu verhindern. Auch Finanzminister Horst Metz scheint zum Handeln bereit zu sein. „Wenn sich herausstellt, dass manipuliert wurde, werden zügig Konsequenzen gezogen." Den Ehrenerklärungen der Bankmanager zum Trotz.
Von Hubert Kemper