DIE WELT, 28.02.2005
SachsenLB sucht Weg aus der Führungskrise
Hans-Jürgen Klumpp soll Interimschef werden - Ministerpräsident Milbradt gerät weiter unter Druck
Leipzig - In der Urkundenaffäre der SachsenLB hat sich der Verdacht kriminellen Handelns führender Bankmanager erhärtet. Wie die WELT aus sächsischen Regierungskreisen erfuhr, ist bei der Durchsuchung des Geldhauses sowie einer Leasingtochter am Donnerstag ein handschriftlicher Vermerk gefunden worden. In dem sichergestellten Beweisstück ist den Angaben zufolge beschrieben, wie sich eine aktienrechtliche Besitzanzeige fälschen läßt.
Wegen des Vorgangs, der auch die Staatsanwaltschaft und die Finanzaufsicht Bafin beschäftigt, mußten Vorstandschef Michael Weiss und sein Kollege Rainer Fuchs am Freitag den Hut nehmen. Bereits an diesem Dienstag berät die Anteilseignerversammlung der SachsenLB darüber, wie das Führungsvakuum gefüllt werden kann.
Dabei will der Verwaltungsratschef, Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU), den bisherigen Finanzvorstand Hans-Jürgen Klumpp als Interimschef durchsetzen, heißt es in der SachsenLB. Ebenso wie Vorstand Gerrit Raupach gilt Klumpp in der Urkundenaffäre als unbelastet.
Auf den kommissarischen Banklenker wartet eine heikle Mission: Die SachsenLB benötigt von ihren Eigentümern eine Kapitalspritze von bis zu 500 Mio. Euro, um nach dem Wegfall von Staatsgarantien eine auskömmliche Bewertung durch die Rating-Agenturen zu erreichen. Für eine "A"-Einstufung müssen die sächsischen Sparkassen mitziehen. Ihnen gehört direkt und indirekt über die Sachsen-Finanzgruppe (SFG) etwa 80 Prozent der Bank.
Das zum Überleben der Bank benötigte Kapital soll nach bisherigen Überlegungen nur zum geringen Teil mit eigenem Geld aufgebracht werden. Erwogen wird, bis zu drei Viertel der Mittel über eine Anleihe einzusammeln. Das Problem dabei: Die Interessen der Eigner lassen sich nur schwer unter einen Hut bringen. So fordern Sparkassenfunktionäre vom Freistaat Sachsen weitreichende Zugeständnisse, die dieser aber strikt ablehnt.
Wegen der komplizierten Operation hat Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) bis zuletzt am nun abgelösten Vorstandschef Weiss festgehalten, obwohl dieser nach einer Serie von Skandalen längst untragbar geworden war. Erst als der Regierungschef von dem beschlagnahmten Manipulationsvermerk erfuhr, telefonierte er am Freitag nachmittag mit Weiss und drängte diesen zum Rücktritt.
In einer kurzen Erklärung, die Milbradt am Freitag vor dem Landtag abgab, hört sich die Dramaturgie des Abgangs anders an. Weiss und Fuchs hätten um ihre Suspendierung gebeten und damit "politische Verantwortung" übernommen.
Die politische Verantwortung indes liegt noch stärker als bisher bekannt beim Ministerpräsidenten. Bankkreise berichten, Verwaltungsratschef Metz habe Weiss schon vor Wochen abberufen wollen. Dies sei aber am Widerstand Milbradts sowie des Leipziger SPD-Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee gescheitert, der die kommunale Seite in den Gremien der Bank vertritt.
Noch am Freitag mittag hatte Milbradt in einem Interview mit der Chemnitzer "Freien Presse" Bankchef Weiss als nahezu unverzichtbar für eine neue strategische Ausrichtung der Landesbank zusammen mit den Sparkassen bezeichnet. Zuvor schon hatte er die Chefin der Leasingtochter MDL, Andrea Braun, in ungewöhnlicher Form verteidigt, obwohl diese sowohl in der Urkundenaffäre als auch durch die Ergebnisse einer Sonderprüfung belastet war. Braun ist die Lebensgefährtin von Weiss.
SachsenLB-Manager sind über die Demission an der Spitze erleichtert: "Seit einem Jahr lacht die ganze Republik wegen ständig neuer Skandale über unsere Bank, das muß jetzt endlich ein Ende haben." Für heute um zehn Uhr ist eine Personalversammlung anberaumt.
von Uwe Müller