Süddeutsche Zeitung, Seite 2, 28.02.2005
Politik der schützenden Hand
Georg Milbradt gerät unter Druck
Wenn Georg Milbradt auf den Chef der sächsischen Landesbank angesprochen wird, bezeugt er auch jetzt -- nach dessen wenig rühmlichen Abgang -- durchaus Respekt. "Weiss hat die Bank nach vorn gebracht", sagt der sächsische Ministerpräsident. "Der geschäftliche Erfolg gibt ihm recht." Der am Freitag in großer Eile zurückgetretene Vorstands-Chef der Landesbank ist für Milbradt vor allem ein hervorragender Bankfachmann. Der Regierungschef macht keinen Hehl daraus, dass er mit Blick auf die schwierige Zukunft der Bank sich kaum einen besseren Mann an ihrer Spitze vorstellen könnte. Schon als Finanzminister in den neunziger Jahren suchte der Christdemokrat oft das Gespräch mit Weiss. Er hat aus seinem guten Verhältnis zu Weiss nie ein Hehl gemacht. So hatte er trotz der anhaltend negativen Schlagzeilen über die Landesbank gehofft, dass sich der Streit um die Mitteldeutsche Leasing (MDL) über die Gerichte lösen lässt. Also wies die Staatskanzlei seit Monaten alle Rücktrittsforderungen zurück -- obwohl die Opposition den Zwist um die Bank längst als Thema entdeckt hatte.
Jetzt ist Weiss vor allem über die MDL gefallen, und der Regierungschef muss mit dem Vorwurf leben, er habe zu lange seine schützende Hand über seinen Vertrauten gehalten. Schon deshalb wird der Rücktritt kaum die erhoffte Ruhe bringen. Nicht nur Oppositionspolitiker fragen nach der politischen Verantwortung für die Misere bei der Bank, um die es seit den ersten Enthüllungen vor gut einem Jahr nie wieder ganz ruhig geworden war. Auch aus der Fraktion des Regierungspartners SPD gibt es Druck. "Milbradt ist verantwortlich dadurch, dass er seit vielen Monaten zugesehen und geschwiegen hat", sagt der Abgeordnete
Karl Nolle. "Viele haben ihm geraten, anders zu handeln."
Offenkundig hatte es sogar innerhalb des Kabinetts Unstimmigkeiten gegeben. Die Aufsicht über die Landesbank obliegt eigentlich dem Finanzminister Horst Metz (CDU), und der hatte längst größere Distanz zur Bankspitze entwickelt. Doch entschieden wurde eben in der Staatskanzlei. Die Affäre trifft Milbradt ohnehin in einer schwierigen Zeit. Noch immer knabbert seine CDU an der Wahlniederlage vom September, als man nach 14 Jahren die absolute Mehrheit verlor. Ehemalige Minister, die jetzt für die CDU im Landtag sitzen, forderten bereits den Verzicht des Regierungschefs auf den Parteivorsitz. Nun kommt die Affäre um die Landesbank als mögliches Dauerthema hinzu. Weil schon viele Einzelheiten nach draußen drangen, sieht die Opposition nun viel Anlass für kritische Fragen. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll einberufen werden. Ins Visier werden dann drei christdemokratische Kabinettsmitglieder geraten, denen die Aufsicht der Bank oblag -- Finanzminister Metz und zwei seiner Vorgänger: Regierungschef Milbradt und der heutige Innenminister Thomas de Maizière. Freilich versichert Milbradt, dass er den Fragen gelassen entgegen sehe: "Die Kontrolle der Bank ist richtig gelaufen." Jens Schneider