Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 28.02.2005

Nachholbedarf: CDU muss Streitkultur und Realitätssinn entwickeln

Kommentar von Hubert Kemper
 
In der sächsischen CDU wird es so bleiben wie es ist - mit Georg Milbradt als Parteichef Das liegt nicht allein an ihm. Seine Kritiker sind ohne Alternative. Sie plädieren für eine Trennung des Amtes des Landesvorsitzenden von dem des Ministerpräsidenten, bieten aber keinen Herausforderer auf. Matthias Rößler, der enttäuschte Ex-Minister, würde sich die Aufgabe zutrauen, fürchtet aber seine geringe Popularität. Auch andere Thesenschreiber bleiben lieber in der Deckung. Im Zweifelsfall scharen sich Mandatsträger hinter dem Mächtigsten.

Milbradt strapazierte bei seiner ersten Basis-Begegnung in Wurzen nach dem Wahldebakel mit einer langen Rede wie gewohnt die Aufmerksamkeit der Zuhörer, aber er präsentierte sich am oberen Rand seiner Möglichkeiten. Wenn er am Ende regelrecht befreit wirkte, lag das vor allem am Harmoniebedürfnis in der Union. Heikle Fragen, wie nach seinem zaudernden Umgang mit der Affäre bei der SachsenLB, blieben Milbradt ebenso erspart wie ein Nachbohren zu seiner Rolle rückwärts bei Hartz IV und seiner Kleinmütigkeit bei der Einschätzung, erneut bayerische CSU-Ergebnisse erzielen zu können.

Eine Streitkultur lässt sich nicht verordnen. Die CDU muss machtvoll nachholen, was sie in den bequemen Jahren ihrer absoluten Mehrheit versäumt hat. Das Werben um Eliten für Spitzenämter und um diskussionsfreudige Mitglieder zählt dazu. Eine Partei, die selbstbewusst ist, muss nicht wie am Samstag durch den Leipziger OB-Kandidaten Robert Clemen zu einer peinlichen Ergebenheitsadresse mit stehendem Beifall für Milbradt auffordern. Und ihr Vorsitzender ist nicht gespalten: In einen Teil, der Offenheit predigt, und einen zweiten, der macht, was er allein für richtig hält. Im Zweifelsfall unter Berufung auf den Amtseid.

Trotz deutlicher Defizite war Wurzen ein guter Anfang, der Spannung auf muntere Treffen, vor allem im Chemnitzer Raum weckt. Ob die CDU am Ende geschlossener auftritt und Milbradts Kopf wieder frei für seine Regierungsgeschäfte ist, hängt von der Bereitschaft einiger ab, sich von Wunschvorstellungen zu trennen. Milbradt hat nicht Biedenkopfs landesväterliche Ausstrahlung. Immer, wenn er in diese Rolle schlüpft, wirkt er unecht. Aber Milbradt ist der beste Mann, den die Union derzeit hat. Auch deswegen traut sich niemand, gegen ihn anzutreten.

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