Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Riesa, 08.03.2005

Mr. Riesa sagt „Bye, Bye“

Präsentation. Vor 380 Gästen auf dem Balkon der Erdgasarena stellt Riesas Ex-OB Wolfram Köhler seine Biografie vor.
 
Es ist vorbei, bye, bye“, singt Wolfram Köhler nach fast zweieinhalb Stunden Bühnenshow auf dem Balkon der Erdgasarena. Ein Abend, um zumindest bye, bye Riesa zu sagen: „Das ist mein endgültiger Abschied aus der Kommunalpolitik in Riesa“, so der frühere OB, und heutige CDU-Landtagsabgeordnete. Zuvor präsentierte er den Extrakt aus 13 Jahren Arbeit in der Elbestadt: sein Buch „Mr. Riesa – In Deutschland geht’s auch anders“. Auf 252 Seiten brachte Köhler zu Papier, was das Erfolgsmodell Riesa seiner Meinung nach ausmacht, und schrieb über Träume, Siege, Intrigen. Und sich selbst ein gutes Stück Frust von der Seele über jene, die ihn nicht so recht verstehen wollten.

Geballte Politprominenz

Von dem Frust war am Sonntag nichts mehr zu spüren. Genug Zündstoff zum Meinungsstreit hält das Büchlein aber parat, zum Beispiel im Abschnitt um die Provisionsaffäre. Dort setzt es Watschen für einige politische Gegner. Wer auf diese Passagen spitzte, tat es umsonst und muss 19,80 Euro ausgeben, um die Details zu erfahren. Es war eben kein Abend, um irgend jemandem ernsthaft auf die Zehen zu treten. Dort hatten sich nicht nur die lokalen Honoratioren aus Politik und Wirtschaft versammelt. Sondern auch die geballte Dresdner Politprominenz aus Staatsregierung und Landtag. Eine besorgte Leipziger Verlagschefin mutmaßte schon, dass die Lesestadt Leipzig eine handfeste Konkurrenz bekommen könnte. Freunde und Widersacher lauschten gleichermaßen Köhlers Reflexionen.

Alte und neue Lieder Köhlers begleiteten das Programm. Mal mit lauten, mal leisen Tönen, wie: „Sag, dass Du es schaffen wirst, mich zu lieben, wie ich bin.“ So weit wollte der SPD-Landtagsabgeordnete und Köhlerkritiker Karl Nolle an diesem Abend nicht gehen. Aber auch er schlägt versöhnliche Töne an. „Herr Köhler ist ein erfolgreicher Selbstdarsteller und begnadeter Entertainer. Er sagt ja selbst, dass manches am Rande der Legalität war.“ Für Nolles Geschmack ist Köhler ein bisschen zu tollkühn, ohne die Folgen mancher Aktion zu bedenken. Aber damit der Heißsporn nicht über die Stränge schlägt, gibt’s ja Karl Nolle. Die Gegner waren ganz klar in der Minderheit bei dieser Präsentation.

Innenminister Thomas de Maizière beeindruckte die Show von Mr. Riesa: „Auf so etwas war ich nicht eingestellt. Das ist knuffig hier, und das Buch ist frech geschrieben.“ Den Eindruck vermittelte Köhler beim Lesen, auch wenn er sich mal verhaspelte. Hinterher gab er zu: „Ich war unheimlich aufgeregt.“ So erfuhren die Leute, wie der Tausendsassa mit Ex-Boxer Axel Schulz auf der Spielplatzwippe Pläne schmiedete oder Muhammad Ali und Elektronikbetriebe trickreich nach Riesa lotste. Sie erfuhren, dass die Olympia-Idee am Leipziger Alleingang gescheitert sei, und erhielten Einblick in Köhlers Gefühlswelt. Für Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer ist die Autobiografie „ein Stück Riesaer Zeitgeschichte.“ Staatskanzleichef Hermann Winkler kommentiert das Kapitel Olympia: Jede Zeile könne er da unterschreiben. Riesas CDU-Chefin Inge Reinacher nennt das Buch sehr ehrlich.

So manchen Lacher oder Applaus erntete Köhler immer dort, wo er mit schnoddrigem Erzählstil das Publikum fesselte. Andere Passagen geraten in ihrer Detailfülle eher zum Protokoll für Riesaer Insider. Doch in diesen Seiten blätterte Köhler am Sonntag nur selten. So bleibt genug Raum für die Lektüre daheim. Und die Bücher ließen sich verkaufen wie warme Semmeln, allein 150 in den ersten zwei Stunden. Nun geht der Köhler mit seiner Biografie auf Tournee. Von Riesa hat er nun gewissermaßen schon zum zweiten Mal Abschied genommen, diesmal endgültig – oder nicht?
Von Reiner Hanke


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Wolfram Köhler „Mr. Riesa – In Deutschland geht’s auch anders“, erschienen Forum-Verlag Leipzig, 252 Seiten, 19,80 Euro, Hardcover 28,80 Euro.

Karl Nolle im Webseitentest
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