Freie Presse Chemnitz, Seite 1, 12.05.2005
Landesbank: Biedenkopf greift Milbradt an
Affäre um Sachsen-LB spitzt sich zu – Ex-Ministerpräsident fordert seinen Nachfolger auf, öffentlich Verantwortung zu übernehmen
Dresden. Die Affäre um die sächsische Landesbank (Sachsen-LB) spitzt sich weiter zu. Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf erhebt in einem persönlichen Brief an seinen Nachfolger Georg Milbradt (beide CDU) schwere Vorwürfe. Milbradt habe viel zu lange das schwer belastete Führungspersonal der Landesbank verteidigt, meint Biedenkopf. Dadurch sei dem Freistaat in den letzten zwei Jahren erheblicher Schaden entstanden. „Der Ruf der Bank könnte heute nicht schlechter sein“, schreibt Biedenkopf. „Dafür, Georg, trägst du die politische Verantwortung“, heißt es in dem Biedenkopf-Brief. „Ich erwarte von dir als meinem Nachfolger, dass du zu dieser Verantwortung auch öffentlich stehst.“
Der langjährige Vorstandschef Michael Weiss und Vorstandsmitglied Rainer Fuchs waren Ende Februar von ihren Ämtern bei der Sachsen-LB zurückgetreten, nachdem sich Vorwürfe der Dokumentenfälschung offenbar erhärtet hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte bei einer Durchsuchung der Landesbank umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Zuvor war das Bankhaus bereits wegen undurchsichtiger Immobiliengeschäfte, Vorwürfen der Vetternwirtschaft und der Mitarbeiter-Bespitzelung in die Schlagzeilen geraten.
In ungewöhnlicher Schärfe hält Biedenkopf seinem Nachfolger Milbradt und dessen Finanzminister Horst Metz (CDU) Versäumnisse bei der Lösung der wirtschaftlichen Schieflage der Sachsen-LB-Tochterfirma Mitteldeutsche Leasing (MDL) vor. Die Berufung der Weiss-Lebensgefährtin Andrea Braun zum Allein-Vorstand der MDL bezeichnet Biedenkopf als „entscheidende Ursache für die verheerende Entwicklung des MDL-Komplexes und deren Auswirkungen auf die Landesbank“. Es sei ihm unerfindlich, dass durch eine „offensichtlich sachwidrige Vorstandsbesetzung“ eine für Sachsen bedeutsame unternehmerische Konzeption gefährdet und vereitelt worden sei.
Vorwürfe gegen Milbradt erhebt auch der Unternehmer Jürgen Geißinger aus Herzogenaurach. Mehrfach will er als neutraler Aufsichtsrat der MDL vergeblich versucht haben, Milbradt über die „enorm kritische Situation“ zu informieren.
Betroffen zeigt sich Biedenkopf zudem von angeblichen Milbradt-Äußerungen über seinen Schwiegersohn Andreas Waldow. „Aus dem politischen Umfeld der Staatskanzlei“ seien Verdächtigungen kolportiert worden, glaubt Biedenkopf. Man habe versucht, seinen Schwiegersohn mit der Urkundenfälschung in der Sachsen-LB in Verbindung zu bringen. Waldow arbeitet für den MDL-Mitinhaber Ludwig Hausbacher. Der Immobilien-Unternehmer Hausbacher war von Weiss entlassen worden und trägt mit der Sachsen-LB einen erbitterten Rechtsstreit über den Wert seines Anteils an der MDL aus. —Seite 4: Leitartikel
Von Hubert Kemper