DNN/LVZ, 12.05.2005
"Du trägst die politische Verantwortung"
Leipzig/Dresden. Schon die Anrede ist ein Signal. Mit einem Fax an den "lieben Ludwig" hatte der ehemalige Landesbank-Vorstand Rainer Fuchs im März 2003 den Chef der Tochtergesellschaft Mitteldeutsche Leasing AG (MDL), Ludwig M. Hausbacher, ultimativ zum Rücktritt aufgefordert.
Seitdem tobt zwischen Hausbacher, der über seine Tutzinger Industrie- und Immobilienleasing (IIL) 49 Prozent an der MDL hält, und der Sachsen LB ein erbitterter Streit um die Leasing-Firma, der zurzeit in einer 140-Millionen-Euro-Schadensersatzklage der IIL gipfelt.
An den "lieben Georg" wendet sich in einem als "persönlich/vertraulich" gekennzeichneten Schreiben vom 4. März dieses Jahres auch Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Und auch er fordert seinen ungeliebten Nachfolger Georg Milbradt (CDU) indirekt zum Rücktritt auf. "Der Ruf der Landesbank könnte heute nicht schlechter sein", schreibt Biedenkopf in dem vierseitigen Brief, der dieser Zeitung vorliegt. "Die Institution - die einzige ostdeutsche Landesbank - auf die wir besonders stolz waren, ist notleidend." Und weiter: "Dafür, Georg, trägst Du die politische Verantwortung. Ich erwarte von Dir als meinem Nachfolger, dass Du zu dieser Verantwortung auch persönlich stehst."
Schließlich, so Biedenkopf, habe Milbradt den im Februar geschassten Sachsen-LB-Vorstand Fuchs, seinen Chef Michael Weiss und dessen Lebensgefährtin Andrea Braun - bis zur vor kurzem erfolgten fristlosen Kündigung Nachfolgerin Hausbachers auf dem MDL-Chefsessel - bis zuletzt geschützt und verteidigt. Mehr noch: Milbradt und sein Finanzminister Horst Metz (CDU), legt Alt-MP Biedenkopf zwischen den Zeilen nahe, hätten bewusst die Augen verschlossen. An einem "Mangel an Informationen" könne ihr Verhalten nicht gelegen haben. "Staatsregierung und Finanzminister waren über jeden Vorgang, jeden Prozess und jedes Urteil unterrichtet", schreibt Biedenkopf. Und "obwohl sie durch das OLG Dresden Anfang Januar auf den schwerwiegenden Verdacht eines Prozessbetruges öffentlich hingewiesen wurden, sahen sie immer noch keine Veranlassung, tätig zu werden. Vielmehr sprachen sie der Führung der Landesbank volles Vertrauen aus", kritisiert der Ex-Ministerpräsident.
Dass dies möglicherweise etwas voreilig war, belegen inzwischen auch ein interner Revisionsbericht der Landesbank und Auszüge aus Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden, die dieser Zeitung vorliegen. Sie enthalten Belege dafür, dass ein für den Prozess vor dem Oberlandesgericht relevantes Dokument im Vorstandsstab der Sachsen LB manipuliert und rückdatiert wurde. Dabei handelt es sich um eine obligatorische Besitzanzeige nach dem Aktiengesetz, mit der die Landesbank ihren 51-Prozent-Anteil an der MDL zu melden hatte. In den Akten findet sich das Geständnis eines Vorstandsstabs-Mitarbeiters, die Besitzanzeige auf Anweisung von "Verantwortlichen" gefälscht zu haben ebenso wie die Zeugenaussage einer Expertin aus der Rechtsabteilung, die vor einer Rückdatierung explizit gewarnt hatte. Ihre bei einer Hausdurchsuchung in den Räumen der MDL gefundenen handschriftlichen Anmerkungen waren für die Staatsanwaltschaft offenbar das entscheidende Beweisstück. Inzwischen hat auch der beurlaubte Leiter des Landesbank-Vorstandsstabes, Christian Spieker, für Ende des Monats ein Geständnis angekündigt. Das könnte dann auch Ex-Landesbank-Chef Weiss belasten, der laut Revisionsbericht spätestens seit Ende Januar durch einen Vermerk der Rechtsabteilung offiziell von unterschiedlichen Versionen der Besitzanzeige wusste.
Unter Druck kommt aber damit auch die Darstellung der Staatsregierung, wonach sie sich stets um eine zügige Aufklärung der Vorwürfe bemüht habe. So akzeptierte Metz ausweislich des Protokolls einer nur vier Wochen vor ihrem Rücktritt einberufenen Krisensitzung des Landesbank-Präsidalausschusses alle Erklärungsversuche von Weiss und Fuchs. Ohne auf Ungereimtheiten einzugehen, warnte er nach der Sitzung gar vor einer "Vorverurteilung der handelnden Personen." Und die Vollmacht, Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zu nehmen, erteilte Metz als Verwaltungsratsvorsitzender der Sachsen LB den Anwälten der Bank gar erst am 9. März - just an jenem Tag, als Ministerpräsident Milbradt im Landtag eine Regierungserklärung zur Landesbank abgeben musste.
Dass sich Biedenkopf jetzt in den Chor der Kritiker einreiht, ist indes nicht uneigennützig. Sein kurzer Draht zu Hausbacher und dessen IIL zeigt sich auch darin, dass der Schwiegersohn des Alt-Ministerpräsidenten, Andreas Waldow, als Pressesprecher der Tutzinger Firma auftritt.
von Lars Radau
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