Sächsische Zeitung am Sonntag, 15.05.2005
Milbradt, der Unzurücktretbare
Analyse von Stefan Melle
Vielleicht wechselt bald der Finanzminister. Aber Milbradt kann jetzt nicht aus seinem Amt.
Der Rücktritt von Ministerpräsident Georg Milbradt scheint für viele in der Luft zu liegen. Innerparteiliche Widersacher bedrängen ihn. Bei der Lösung der Alltagsprobleme in Sachsen, zumal der Arbeitslosigkeit, hat er nur noch selten durchgreifende Erfolge. Nun kommen noch seine Fehler in der Affäre um die Landesbank hinzu.
Es ist offenbar, dass der Vorwurf der Dokumentenfälschung durch Bankmanager kaum noch wegzureden sein wird. Daher ist die penetrante Warnung aus der CDU - genauer durch Milbradts Weggefährten in der Partei -, dass eine weitere Verfolgung dieses Verdachts gefährlich sei, weil sie die SachsenLB beschädigen könne, nur eine panische Ausflucht.
Das Ansehen der SachsenLB ist in der Branche, wo Korrektheit eine Bedingung für Geschäftserfolge ist, längst miserabel. Jetzt kann nur noch Aufklärung helfen, aber gerade die haben Georg Milbradt und sein Finanzminister Horst Metz über Monate hinweg behindert. Trotzdem wird Milbradts Rücktritt vorerst ausbleiben. Vielleicht wechselt er bald seinen Finanzminister aus - ohnehin führt der Regierungschef das Amt nebenbei weitgehend mit. Er selbst aber kann seinen Posten jetzt nicht verlassen, selbst dann nicht, wenn er wollte. Denn seine Anhänger in der CDU brauchen ihn, er ist der Überlebensgarant für ihre weithin profillose Landtagsfraktion.
Auch Milbradts Gegner – die seit dem Abtritt seines Vorgängers Kurt Biedenkopf stark und seit dem Einbruch der CDU bei der Landtagswahl 2004 noch zahlreicher sind - auch sie werden Milbradt nur weiter schwächen, mindestens bis zum Parteitag im November. Auch sie werden ihn nicht aus dem Amt treiben. Denn der CDU fehlt ein Erbe. Der erste interne Anwärter, Innenminister Thomas de Maizière, hat gerade wegen seiner besten Züge zu wenig Anhang. Seine intellektuelle Geradlinigkeit, seine Unzugänglichkeit für Populismus wären wohl hilfreich für das Land.
Viele spüren aber nur die Distanz, die aus Maizières Prinzipienfestigkeit zuweilen entsteht. Kultusminister Steffen Flath, der zweite Kandidat, ist zwar wendig genug, um Leute zu binden - sein Schulschließungsplan, der wissentlich viele vor den Kopf stößt, hat ihn aber für viele zunächst diskreditiert. Flath wird erst nach einer Schamfrist wieder zum Held der Basis taugen. Dritte erscheinen bisher nur als zu blasse oder schlicht zu unbekannte Notbehelfe. Verschlossen sind der CDU auch Neuwahlen. Der Partei drohen weitere Verluste – und allen im Land drohen neue Gewinne der Neonazis, die den ziellosen Frust vieler Menschen ausnutzen. Im Ernstfall stützen daher sogar die anderen Parteien lieber den sachkundigen Georg Milbradt, so übermüdet und selbstgerecht der oft sein mag. Noch wirkt er wie das kleinste Übel in einer üblen Lage. Diese Lage aber lähmt Sachsen - und der Schnitt rückt näher.