Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 17.05.2005

Aktien ohne Akten

Sachsen LB. Die Bank hat ihre Meldepflicht nicht ernst genommen – und das gleich mehrfach.
 
Die sächsische Landesbank sei eine „notleidende Bank“. Mit dieser Wertung, wie sie Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in seinem Brandbrief an Amtsnachfolger Georg Milbradt (beide CDU) gewählt hatte, rückt die Bank in dieser Woche weiter in das ungeliebte Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Ende der Woche werden die Mitglieder des Landtags-Untersuchungsausschusses gewählt sein und sich dann ebenso um Aufklärung bemühen, wie es die Staatsanwaltschaft bereits seit Monaten tut.

„Gewisse Nervosität“

Notleidend, so viel dürfte jetzt schon feststehen, war die Bank zumindest in Teilen des internen Managements. Aussagen von Mitarbeitern belegen, dass es vor allem bei der Mitteilungspflicht, die besonders bei Aktiengesellschaften einem strengen Reglement unterliegt, bereits vor der umstrittenen Rückdatierung im Fall der Mitteldeutschen Leasing AG (MDL) mindestens ein folgenschweres weiteres Versäumnis gab. Verwunderlich: Denn unter den damals schon mehr als 250 Beteiligungen der Bank befanden sich nur zwei Aktiengesellschaften – neben der MDL die Setis-Bank AG, die heute als Sachsen LB Support AG firmiert.

Doch offensichtlich war die Meldepflicht zumindest bis 2001 im Hause Sachsen LB nur selten ernst genommen worden. Nach etlichen Beanstandungen durch die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungsaufsicht habe „eine gewisse Nervosität“ im Hause geherrscht, räumte der zuständige Bereichsleiter im Vorstandsstab, Christian S. bereits Anfang des Jahres gegenüber der Staatsanwaltschaft ein. „Im Hinblick darauf war ich natürlich bemüht, jetzt dafür zu sorgen, dass bei keiner einzigen Beteiligungsgesellschaft noch einmal Probleme auftauchen und in dieser Zeit wurden daher auch eine Vielzahl von entsprechenden formellen Mitteilungen noch gefertigt bzw. nachgeholt, die dann gelegentlich auch vom Vorstand selbst mit zu unterzeichnen waren“, erklärte S. Die Nachmeldung zur MDL sei deshalb gar „nicht so ein ungewöhnlicher Vorgang“.

Beispiel Setis-Bank: Bis zum vergangenen Jahr war die Sachsen LB bei dem Leipziger Institut Mehrheitsgesellschafter mit einem Anteil von 90 Prozent, erhöhte dann auf eine 100-prozentige Beteiligung. Die fatale Nachlässigkeit liegt auch hier nur wenige Jahre zurück. Als bei der Setis-Bank AG Ende 2001 eine Kapitalerhöhung beschlossen wird, versäumten die Verantwortlichen diese beim Handelsregister anzumelden. Monate, nachdem die Sachsen LB Aktien im Wert von neun Millionen Euro bei der Setis-Bank gezeichnet und die Summe auch längst überwiesen hatte, stellte sich nach Zeugen-Aussage des damals dafür zuständigen Mitarbeiters heraus, dass durch die versäumte Meldung nach Paragraf 20 (4) Aktiengesetz die Sachsen LB gar kein Bezugsrecht auf die Aktien hatte. Das heißt, im Grunde wurden damit neun Millionen Euro auf recht unproduktive Art „geparkt“ und damit quasi wertlos.

Erst Monate nach Fälligkeit der Meldung fiel dies offenbar unabhängigen Wirtschaftsprüfern der Landesbank auf. Man suchte nach einer möglicherweise vielleicht doch getätigten Mitteilung – vergeblich, wie der seit März 2002 damals für die Beteiligungs-Meldungen Zuständige gegenüber dem Staatsanwalt aussagte. Auf Rat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sollte die Meldung im Herbst 2002 – fast ein Jahr (!) nach dem Aktien-Kauf – nachgeholt werden.

Eine umfassende „Akten-Neustrukturierung“ nahmen die Mitarbeiter anschließend vor, geht aus Zeugen-Aussagen hervor. Ein Ziel der Aktion war offenbar auch, dass Akten überhaupt erst wieder auffindbar sein sollten, wenn jemand danach gesucht hätte. Merkwürdig auch für eine Landesbank dieser Größe: Gerade mal zwei Mitarbeiter – im engeren Sinne – waren mit der Aufsicht und damit auch mit der Wahrung der Meldepflicht betraut. Viel zu wenig, kritisiert ein Finanzexperte. „Es gab auch 2002 schon mehrere Fälle, in denen der Vorstand der Sachsen LB durch das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen beanstandet wurde. Deswegen waren wir alle sensibilisiert für Einhaltungen der Meldepflicht“, erklärte auch Mitarbeiter Thomas K. in seiner Vernehmung. „Sobald das Fehlen von Mitteilungen offenbar wurde, wurden diese unverzüglich nachgeholt.“

Frau Braun, die „Ausputzerin“

Das Schreiben zur Nachmeldung im Fall der fehlenden Setis-Meldung habe er zum „Muster“ für das Schreiben im Fall der fehlenden MDL-Mitteilung im April 2003 gemacht. „Das war für mich auch nicht so ein besonderer Vorgang wie bei der Setis-Bank AG“, gab K. trocken beim Staatsanwalt zu Protokoll. „Da es bei der MDL AG ja bis dahin noch nicht zu Schwierigkeiten gekommen war.“

Bei allen Vorwürfen in puncto „Vetternwirtschaft“ gegen Ex-LB-Vorstand Weiss und MDL-Chefin Andrea Braun: Nach dem, was Bank-Mitarbeiter ausgesagt haben, hatte die üppig bezahlte Lebensgefährtin wohl auch eine Funktion als diskrete „Ausputzerin“ im leicht durcheinander geratenen internen Management der Bank.

Der Untersuchungsausschuss des Landtags muss sich auf eine schwierige und langwierige Aufklärungsarbeit einstellen. Eine wichtige Frage wird sein, ob vermeidbare Fehler wirklich vermieden wurden – und inwieweit die Aufsichtsgremien, beispielsweise im Verwaltungsrat und dort an prominenter Stelle das Sächsische Finanzministerium, über Jahre versagt haben.
Von Annette Binninger

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: