Sächsische Zeitung, 18.05.2005
SPD stellt ihrem Partner CDU die Gretchenfrage
Fraktionschef Weiss rechnet mit der Union ab und fordert Änderungen in der Zusammenarbeit.
Der Schlag kam plötzlich und er war heftig. „Das kann auf Dauer nicht funktionieren.“ Diese Meinung aus dem Mund des SPD-Fraktionschefs Cornelius Weiss galt gestern keinem geringeren Thema als der Koalition der Sozialdemokraten mit der sächsischen CDU.
Erstmals seitdem das rot-schwarze Dresdner Regierungsbündnis geschmiedet wurde, stellt es die SPD jetzt kritisch in Frage. Mag dabei der aktuelle Streit über die Schulpolitik im Land der Anlass für die Weiss-Attacke sein, die Ursachen für das schlechte Klima in dem Regierungslager liegen tiefer. „Seit Wochen“, so klagt Weiss, „ist mit der CDU als großem Koalitionspartner nicht mehr gut zu verhandeln.“ Nicht allein beim Schulstreit, sondern auch bei vielen anderen Sachthemen gäbe es immer nur eine Marschrichtung. „Kompromisse zwischen beiden Partnern gibt es nur deshalb, weil wir als SPD klein beigeben.“ Damit müsse jetzt Schluss sein. Ebenso mit den Versuchen der CDU, den Sozialdemokraten bei unangenehmen Regierungsentscheidungen öffentlich die Schwarze-Peter-Rolle zuzuschieben. Die Koalition selbst sieht Weiss noch nicht wackeln, falls es jetzt keinen „Aufschaukelprozess“ zwischen beiden Regierungspartnern gibt. Er knüpft daran allerdings eine Bedingung: „Die CDU muss künftig mehr Einsicht und Vernunft zeigen.“
Ein herber Hieb, auf den die Union offenbar nur gewartet hat. Denn dort ist man ebenfalls seit langem mit dem Bündnis unzufrieden. Die CDU sieht die Ursachen dafür jedoch beim Partner. Während sich die SPD gern in gemeinsamen Erfolgen sonne, ziehe sie sich bei Problemen stets in den Hintergrund zurück, hieß es. Und mit der Weiss-Kritik hätten sich die Sozialdemokraten zudem von der „Solidarität zweier Regierungspartner“ verabschiedet, wetterte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer zurück. Sein Vorwurf: Weiss sowie der SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk hätten die eigenen Leute nicht im Griff. Vor allem die SPD-Landtagsfraktion sei „kopfmäßig überhaupt noch nicht im Regierungslager angekommen“.
Die Misstöne in der Koalition ließen auch die Opposition aufhorchen. Statt zu jammern sollte die Regierung lieber handeln, forderte die PDS, während die FDP stichelte, das neue SPD-Selbstbewusstsein dürfe nicht als Seifenblase enden.
Von Gunnar Saft