Lausitzer Rundschau, 20.05.2005
Klima in der Koalition kühlt merklich ab
CDU und SPD werfen sich gegenseitig schlechten Umgang vor
CDU-Fraktionschef Fritz Hähle spricht von einem „schwierigen Weg“, sein SPD-Kollege Cornelius Weiss sogar von „Abwehrhaltung“ bei der Union. Merklich kühlt sich zurzeit das Koalitionsklima in Dresden ab, der Frust übereinander steigt deutlich an. Gestern warf SPD-Mann Weiss der CDU vor, es sei kaum mehr eine Verhandlung möglich. Es dürfe aber nicht auf Dauer passieren, dass die SPD permanent klein beigebe.
Zankapfel Nummer 1 ist die Schulpolitik. SPD-Politiker Martin Dulig hatte am Wochenende über die Presse angekündigt, er wolle bei den drohenden Schulschließungen „eine nennenswerte Anzahl“ von Ausnahmen durchsetzen. Kultusminister Steffen Flath (CDU) warf Dulig dafür „Populismus“ vor. Das Thema steht nächsten Dienstag auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses. Bis 27. Mai sollen die zu schließenden Schulen endgültig benannt sein.
CDU-General Kretschmer und der Schulpolitiker Lars Rohwer forderten die SPD auf, Gespräche in den Gremien zu führen und nicht über die Presse. Fraktionschef Weiss sowie der SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk müssten die Arbeitsfähigkeit der Regierung herstellen. Schulschließungen müsse man gemeinsam durchstehen und nicht der CDU den Schwarzen Peter zuschieben.
Zankapfel Nummer 2 ist
Karl Nolle, das umstrittene Enfant terrible der SPD. Schon über dessen kritisches Auftreten in der Landesbank-Affäre war Regierungschef Georg Milbradt (CDU) verärgert. Auch Nolles Kritik an Milbradts Rede zum Gedenktag am 8. Mai stieß der CDU bitter auf. Im Kabinett soll SPD-Minister und Parteichef Thomas Jurk schon aufgefordert worden sein, den Mann zurückzupfeifen. „Wir fragen uns, wer da die Hosen anhat“, sagt CDU-General Kretschmer. „Nolle stellt die Koalition auf die Probe.“ Es könne nicht sein, dass einige SPD-Abgeordnete immer noch lieber in der Opposition säßen als auf der Regierungsbank. Kretschmer warnt: „Das geht so auf Dauer nicht.“
Doch Nolle denkt nicht an Rückzug. „Warum kann ich nicht meine Meinung sagen«“, fragt der SPD-Mann verärgert. Milbradts 8.-Mai-Rede sei nicht mit der SPD abgestimmt gewesen. Auch an anderer Stelle werde die SPD übergangen. So sei die Benennung von Herbert Süß zum neuen Vorstandschef der Sachsen LB seines Wissens nicht mit der SPD abgestimmt worden. Solches Verhalten sei symptomatisch.
Rückendeckung bekommt Nolle von Fraktionschef Weiss. Die CDU lebe in einer anderen Welt, wenn sie glaube, die SPD pfeife ihre Leute zurück und müsse alles schlucken, was CDU-Leute sagten. „Die Union darf einen Koalitionsvertrag nicht mit einem Maulkorb verwechseln“, sagte Weiss der RUNDSCHAU.
Kretschmer ärgert indes auch die Haltung der Sozialdemokraten in der Bundespolitik. Es gebe einige in der SPD, die ständig auf die Direktiven aus Berlin hörten. So müsse sich Sachsen in fast allen Bundesratsangelegenheiten enthalten. Kretschmer: „Sachsen kriegt dort nichts mehr durch. Wie sollen wir so noch etwas für das Land tun»“ Parteichefin Angela Merkel, die gestern in Dresden war, ging auf die Querelen nur beiläufig ein und appellierte, zur Sachpolitik zurückzukehren. So sehen es auch die Fraktionschefs. Die Reibereien, sagt Hähle, seien absehbar gewesen. Und auch Weiss appelliert an Einsicht und Vernunft. „Wir sitzen im gleichen Boot.“ An ein Scheitern der Koalition will jedenfalls noch keine Seite denken.
Von Sven Heitkamp