taz - die tageszeitung, 21.05.2005
"Soll er sich laecherlich machen!"
Kurt Biedenkopf braucht Oeffentlichkeit wie eine Droge. Sagt Koenigskenner Juergen Leinemann ueber den Exlandesvater, der seinen Nachfolger aus dem Amt mobben will
taz: Herr Leinemann, was treibt Kurt Biedenkopf an, drei Jahre nach seinem Ruecktritt gegen Georg Milbradt zu wettern und damit nachzutreten?
Juergen Leinemann: Wenn jemand das Gefuehl hat, dass er seine Bedeutung nur ueber oeffentliche Aemter nachweisen kann, und das kann man fuer Biedenkopf annehmen, fuehlt er sich nun um etwas sehr Wichtiges gebracht, um einen Teil seiner Existenz. Und er wird nicht auf die Idee kommen, dass er selbst Fehler gemacht hat. Er wird es nach aussen tragen und sich einen Schuldigen suchen: Milbradt.
Welche Not bewegt jemanden wie Biedenkopf dazu, immer weiterzumachen, statt sich zurueckzuziehen?
Ab einem bestimmten Zeitpunkt sind die Noete gar nicht mehr das Entscheidende, sondern ist es die Tatsache, dass die Politiker die Bodenhaftung verloren haben. Es geht nur noch um den Gedanken: Wo bleibe ich dabei? Man koennte es als zentrales Kennzeichen von Politikern im Medienzeitalter ansehen, dass sie die oeffentliche Aufmerksamkeit brauchen wie eine Droge.
Gilt genau das auch fuer Biedenkopf?
Ja, der Mann zeichnet sich durch eine unglaubliche Beharrlichkeit aus, was ja auch eine Faehigkeit ist. Und wenn der nackte Kaiser nur lange genug durchhaelt, gucken die Leute ihm vielleicht irgendwann auch wieder Kleider an. Wobei Biedenkopf sich das sicher nicht rational ueberlegt, von Rationalitaet kann da keine Rede sein.
Im Gespraech zu sein ist alles, was zaehlt?
Fuer manche ist oeffentliche Wirkung eben die einzige Methode, eine Existenzberechtigung zu entwickeln. Dafuer war Biedenkopf schon immer ein Beispiel. Ich war immer sehr skeptisch, was seine blumigen und fantasievollen Gedankenspielereien einerseits und seine tatsaechliche Standfestigkeit andererseits anging. Da bestand fuer mich immer eine grosse Diskrepanz. Biedenkopf hat in Sachsen Koenig gespielt. Den Leuten hat es lange gefallen, bis er seine Rolle ueberzog.
Warum benutzt er fuer seine Aktion ausgerechnet den SPD-Politiker
Karl Nolle - also jenen Mann, der an seiner Demontage einst kraeftig mitwirkte?
Der gehoerte wahrscheinlich immer zum Hofstaat.
Was kann eine Partei tun, um solche alten Kader, die sich selbst und ihrer Umgebung schaden, loszuwerden?
Eigentlich kann sie sie nur ignorieren und warten, dass sie sich selbst laecherlich machen. Was schnell moeglich ist. Ich finde es auffaellig, dass wir im Moment viele Gesten sehen, in denen jemand seine Uebersteigerung oeffentlich macht und sich dem Gelaechter preisgibt. Viele Politiker sehen nicht, dass das Leben weitergeht und dass sie am Rande der Laecherlichkeit operieren. Sie machen einfach immer weiter.
Interview: Kai Biermann
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Bemerkung von Karl Nolle: Weder Herr Biermann noch Herr Leinemann haben wegen ihrer Behauptung, ich habe den Biedenkopfbrief lanciert, mit mir gesprochen.