Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 18.05.2005

Abrechnung mit dem Putschisten

CDU-Chefin Merkel befürchtet erheblichen Schaden durch eine Affäre, in der Sachsens Alt-Ministerpräsident Biedenkopf seinen Nachfolger Milbradt angreift
 
Die Lage ist so ernst, dass Angela Merkel am gestrigen Dienstag eigens nach Dresden reiste. Obwohl die CDU-Bundesvorsitzende in der Endphase des nordrhein-westfälischen Wahlkampfs genug zu tun hätte, wollte sie sich in der sächsischen Unions-Fraktion ein Bild vom derzeitigen Durcheinander machen. Anlass ist eine Affäre um die Landesbank Sachsen (Sachsen LB), die von Juni an in einem Untersuchungsausschuss des Landtags beleuchtet werden soll. Am heutigen Mittwoch nominiert der Landtag die Abgeordneten, die in dem Gremium sitzen werden.

Untersucht werden sollen "Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Staatsregierung gegenüber der Landesbank Sachsen (Sachsen LB)", heißt es auf der Tagesordnung. Im Zentrum steht ein Dokument aus den Aktenschränken der Sachsen LB, das gefälscht worden sein soll, um die Position der Landesbank im juristischen Streit mit einer Tochterfirma zu stärken.

Politisch bringt der Vorwurf Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in Bedrängnis. Er gilt ohnehin als geschwächt, weil seine CDU bei den Landtagswahlen im vergangenen September erdrutschartige Verluste hinnehmen und die SPD in die Regierung holen musste. Milbradts schärfster Kritiker kommt aus dem eigenen Lager. ExMinisterpräsident Kurt Biedenkopf bezichtigt seinen Nachfolger, am Sachsen-LB-Desaster mitschuldig zu sein.

Nach dem Mauerfall hatten der damalige Ministerpräsident Biedenkopf und sein Finanzminister Milbradt die Sachsen LB aus dem Nichts aufgebaut. Den Vorsitz im Verwaltungsrat, im Kreditausschuss und im Präsidialausschuss der Sachsen LB hält traditionell der jeweilige Finanzminister. Bis 2002 hatte Georg Milbradt den Hut auf, derzeit trägt ihn Finanzminister Horst Metz. "So funktioniert das System Sachsen", spottet der Abgeordnete Sebastian Scheel, der für die PDS in den Untersuchungsausschuss einziehen wird: "Die Regierung kontrolliert sich selber." Um in das Immobilien-Geschäft einzusteigen, hatte die Sachsen LB im Jahr 2000 eine Tochterfirma gegründet, die sie Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) taufte.

Das Know-how sollte der bayerische Unternehmer Ludwig Hausbacher liefern, der 49 Prozent der MDL übernahm. 2003 zerstritten sich die Partner, weil Hausbacher Entscheidungen der anderen Gesellschafter missfielen. Diese seien laut Aktienrecht ungültig, argumentierte er vor Gericht, weil die Sachsen LB ihre Beteiligung an der MDL erst im Jahr darauf, also 2004, öffentlich angezeigt habe. Die Sachsen LB präsentierte daraufhin ein Dokument, das Hausbachers Darstellung dementiert. Es trägt das Datum 15.4.2003.

Schnell kam der Verdacht auf, das Schreiben sei rückdatiert worden. Im Januar entschied das Oberlandesgericht Dresden zu Gunsten von Hausbacher, im Februar traten die Sachsen-LB-Chefs Michael Weiss und Rainer Fuchs zurück. In der vergangenen Woche zitierte die Sächsische Zeitung Bankmitarbeiter, die die Fälschung bestätigen. Unter anderem heißt es: "Bei den Verantwortlichen herrschte Konsens, dass die Meldung (...) rückdatiert werden sollte." In dem Fall ermittelt seit längerem die Staatsanwaltschaft Dresden.

Trotz des Vermerks "persönlich/vertraulich" geriet kürzlich ein Brandbrief an die Öffentlichkeit, den Biedenkopf geschrieben hat. Adressat: Georg Milbradt. Der hatte 2002 gegen Biedenkopf geputscht und ihn aus der Staatskanzlei gedrängt. Dieser Brief hat Milbradt nun richtig unter Druck gesetzt. "Spätestens jetzt rächt sich, dass Milbradt versucht hat, die Affäre auszusitzen", sagt Antje Hermenau, die Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Dem Land sei "durch das Handeln der Staatsregierung während der letzten zwei Jahre erheblicher Schaden entstanden", schreibt Biedenkopf. In dem Brief findet sich zudem eine Floskel, die als Aufforderung zum Rücktritt verstanden werden kann: "Dafür, Georg, trägst Du die politische Verantwortung. Ich erwarte von Dir als meinem Nachfolger, dass Du zu dieser Verantwortung auch öffentlich stehst." Die "Vorgänge um die Landesbank", munkelt Biedenkopf dunkel, seien "noch keineswegs abgeschlossen."
von Arne Boecker

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