Freie Presse Chemnitz, 11.07.2005
Buhlen um Links - Traum und Trauma der PDS: Das Wagnis des Bündnisses
Kommentar von Hubert Kemper
Die sächsischen PDS-Genossen schwelgen im Glück der Wiedervereinigung. Links soll keine trennenden Mauern mehr kennen. Nur eine Gegenstimme verhinderte die einhundertprozentige Solidarität zum neuen Namen „Die Linkspartei" - zumindest bis zur Bundestagswahl.
Der größte PDS-Landesverband öffnete generös seine Liste für westdeutsche Bündnisgefährten und frisch ausgetretene Sozialdemokraten. Die Erfüllung des uralten Traumes vom großen Schulterschluss zwischen Ost und West verdrängte den Stolz auf den mühsamen 15-jährigen Prozess einer neuen Identitätsfindung und die Furcht vor dem Verlust der Unabhängigkeit in einem neuen, noch diffus wirkenden politischen Konglomerat.
Es ist nicht die Größe, die bei Fusionen über die neuen Machtverhältnisse entscheidet. Dafür gibt es aus der Wirtschaft genügend Beispiele. Die Abwicklung der Ost-Marke PDS durch eine Anti-Hartz-Sammlungsbewegung aus dem Westen wäre unter zahlenmäßigen Vorzeichen nahezu unmöglich Das Größenverhältnis von 10:1 bei den Mitgliederzahlen wird einen Strategen wie Lafontaine aber nicht abschrecken. Zieht das neue Linksbündnis erst mit 40 bis 50 Abgeordneten in den Bundestag ein, wird er seine Macht in Berlin auszubauen wissen. Die bestenfalls rührende Hilflosigkeit, mit der die sächsische PDS ihre Kandidatensuche betrieb, ist jedenfalls keine Empfehlung für die Machtkämpfe, die spätestens im September ausbrechen werden.
Links, am besten Linksaußen, kommt an - in den Umfragen zumindest. Die Wählerschaft ist verunsichert. Am heftigsten ist die SPD aus der Spur geraten. In Sachsen sind die Sozialdemokraten gleich doppelt bedroht: Die Regierungsbeteiligung im Land hat ihnen bisher keine Sympathie beschert, sondern im Gegenteil den innerparteilichen Lähmungsprozess verstärkt. Zugleich trifft sie der verheerende Negativtrend der Bundespolitik So muss Landeschef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk befürchten, dass ihm ein schlechtes Ergebnis im September angelastet wird.
Und es war wohl auch bewusst kalkuliert, dass SPD-Rebell
Karl Nolle vor dem Weg zu seinem Parteitag in Chemnitz, bei der PDS in Dresden in der ersten Reihe Platz nahm. Der Chefprovokateur der SPD heizte mit seinem Gastspiel die Gerüchteküche an. Ein Übertritt komme für ihn nicht infrage. Schließlich habe er SPD-Blut in den Adern . In Chemnitz las er der verunsicherten Partei dafür kräftig die Leviten. Start frei für das Buhlen um Links.