Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Riesa, 30.07.2005

Abbau scheibenweise

Infineon. Nach über zehn Jahren Wachstum kündigt die Dresdner Chipfabrik an, die Zahl ihrer 5 500 Mitarbeiter zu verringern.
 
Dresden. Davon träumt jeder Handwerksmeister: Die teuren Maschinen laufen zu jeder Tag- und Nachtzeit, ständig erwirtschaftet der Betrieb Umsatz. In den beiden benachbarten Chipfabriken der Infineon Technologies AG in Dresden gibt es diese „Vollauslastung“, sagte Sprecherin Diana Rulle am Freitag – doch zugleich kündigte sie das Ende dieser goldenen Zeiten an.

Infineon Dresden wird schrumpfen. Das ältere der beiden Werke muss künftig mit weniger Aufträgen rechnen. Dass damit Arbeitsplätze verloren gehen, steht schon fest: mindestens 60, sagte Rulle – aber bis zu 470. Schon jetzt werden befristete Verträge nicht verlängert.

Erst Leih-Arbeit, dann keine

„Die Leiharbeiter werden die ersten Leidtragenden sein“, urteilt Betriebsrätin Kerstin Schulzendorf. Mitte vorigen Jahres hatte Infineon begonnen, befristete Beschäftigte an die Leiharbeitsfirmen Tuja Zeitarbeit GmbH und DIS Deutscher Industrieservice AG zu übertragen (siehe Chronik). „Einige hundert“ seien zu ihnen gekommen, sagte DIS-Sprecherin Sylvia Knecht der SZ, und alle seien noch im Einsatz.

Das kann sich mit dem neuen Schichtmodell ändern, über das Standortchef Wolfgang Schmid mit dem Betriebsrat verhandeln wird. Auch bei der Industriegewerkschaft Metall hat er schon vorgefühlt. In einem Brief an die Belegschaft erinnerte Schmid an den Verlust des Konzerns, der weitere „Restrukturierungen“ nötig mache: „Diesen Weg müssen auch die Dresdner Fabriken durch höhere Flexibilität und Rentabilität unterstützen.“ Der Skandal um den zurückgetretenen Konzernvorstand unter Korruptionsverdacht blieb unerwähnt.

Sprecherin Rulle weist auf die Unterschiede zwischen dem älteren und dem neuen Dresdner Infineon-Werk hin: Das neue mit den kostengünstigen 300 Millimeter großen Siliziumscheiben werde stets in „Vollauslastung“ arbeiten. Dort entstehen Speicherchips für Computer. Im älteren Werk mit seinen Apparaten für die 200-Millimeter-Technologie dagegen gebe es künftig mehr Einzel-Aufträge: Schon jetzt werden 40 Prozent der Kapazität dafür eingesetzt, Logik-Chips für Handys, Chipkarten oder Autos herzustellen. Speicherchips aber sollen aus der billigeren 300-Millimeter-Produktion kommen, denn bei Speicherchips ist der Preiskampf härter. Eine 300er-Produktion startet Infineon nächstes Jahr in Malaysia. Rulle sagte jedoch, dort gehe es um andere Produkte.

IG Metall will Tarifvertrag

Noch arbeitet der größere Teil der Belegschaft Rulle zufolge im älteren Werk: 3 478 der rund 5 500 Beschäftigten. Prognosen wollte die Sprecherin nicht abgeben. Im September sollen Verhandlungen über die Arbeitszeit beginnen, von denen die Belegschaftsstärke abhängt. Derzeit wird in fünf Schichten gearbeitet. Auf sechs Arbeitstage zu 8,3 Stunden folgen vier freie. In Vorgesprächen mit einem Arbeitszeitexperten wurde über Modelle gesprochen – viel diskutiert wurde eines mit vier statt fünf Schichten.

„Eine Schicht sind 20 Prozent der Belegschaft“, rechnet der Dresdner IG-Metall-Bevollmächtigte Klaus Gelfert den möglichen Personalabbau vor. Mit Informationsblättern will er Belegschaft und Geschäftsführung nahe legen, einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung abzuschließen, wie jüngst bei VW Dresden. Auch Investitionen soll das Unternehmen zusagen.

Infineon ist bisher ohne Tarifvertrag; auch der Betriebsrat mit IG Metall und vier nichtgewerkschaftlichen Gruppen zeigte sich dazu bisher uneins. Entsprechend vorsichtig äußerte sich IG-Metall-Betriebsrätin Schulzendorf: „Wir können noch nicht sagen, wie viele Arbeitsplätze es kostet. Aber wir wollen kein langsames Sterben.“
Von Michael Rothe und Georg Moeritz

www.infineon.de (Konzern)
www.infineon.igmetall.de (Gewerkschaft)

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