Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 12.08.2005

Langsamer geschrumpft

Statistik. Der Rückgang der Bevölkerung hat sich zumindest verlangsamt – aber eine Trendwende ist nicht in Sicht.
 
Auch im vergangenen Jahr hat die Bevölkerung im Freistaat in der Größenordnung einer Kleinstadt abgenommen. Das hat das Statistische Landesamt in Kamenz gestern bekannt gegeben. Im Vergleich zu 2003 gab es am Ende des vergangenen Jahres genau 25 153 Sachsen weniger. Bis zum März dieses Jahres haben dann noch einmal 7 488 Menschen dem Freistaat den Rücken gekehrt. Die Bevölkerung ist damit im vergangenen Jahr so langsam geschrumpft wie seit sieben Jahren nicht mehr. Auffällig ist auch: Nie war die Differenz zwischen Gestorbenen und Lebendgeborenen seit der Wende so niedrig. Etwa 33 000 Kinder kamen zur Welt, mehr als 48 000 Menschen starben.

Geringer ist der Bevölkerungsverlust durch Umzüge: Mehr als 75 000 in Sachsen gemeldete Personen haben das Land verlassen, beinahe 65 000 Menschen sind hergezogen. Die meisten gehen noch immer in die alten Bundesländer, vor allem nach Bayern. Mehr als 12 000 Sachsen zog es im vergangenen Jahr in weiß-blaue Gefilde. Mit Niedersachsen verzeichnete Sachsen hingegen einen Wanderungsgewinn im vierstelligen Bereich. Erstmals sind auch mehr zwischen Plauen und Görlitz gemeldete Personen ins Ausland gegangen, als Ausländer auf Dauer in den Freistaat gekommen sind.

Keine Zukunft auf dem Lande

In Bezug auf ihre Einwohnerzahlen haben sich die Landkreise und kreisfreien Städte sehr unterschiedlich entwickelt. Die Menschen sehen ihre Zukunft weiterhin eher in Ballungsräumen als auf dem Land. Deshalb konnten vor allem Großstädte wie Dresden und Leipzig gegen den Trend wachsen. Die Landeshauptstadt gewann unterm Strich mehr als 3 700 Menschen hinzu. Leipzig zählte knapp 1 000 Einwohner mehr. Dieser Trend setzte sich auch im ersten Quartal dieses Jahres fort. Positiv entwickelt hat sich auch Görlitz, in dem der Fortzug fast zum Stillstand gekommen ist. Zu- und Wegzüge gleichen sich annähernd aus – unterm Strich verlor die Neißestadt im vergangenen Jahr nur 98 Menschen. Zum Vergleich: Vor neun Jahren waren es noch mehr als 1 000. Extrem viele Einwohner hat Hoyerswerda verloren: ein Minus von 1 112. Damit schrumpfte die Bevölkerung um 2,5 Prozent, im ersten Quartal 2005 ging sie sogar noch einmal um 0,6 Prozent zurück. Im Landesdurchschnitt ist die Einwohnerzahl dagegen „nur“ um 0,6 Prozent zurückgegangen. Größte Stadt bleibt Leipzig mit 498 491 Einwohnern. Dresden wächst zwar schneller, aber dort leben etwa 11 000 Menschen weniger.

Immer der Arbeit hinterher

Obwohl der Bevölkerungsrückgang leicht gebremst ist, sehen Experten darin noch keine Trendwende. „Der Bevölkerungsverlust ist immer noch sehr hoch, und die Menschen werden weiter abwandern, solange es hier keine Jobs gibt“, sagte Demografie-Experte Helmut Seitz, Professor für Finanzwissenschaft an der TU Dresden. Dies ändere auch die Förderung von Kultur und Bildung nicht.

Seitz sprach sich dagegen aus, die Migration politisch zu steuern. Irgendwann würden sich die Einwohnerzahlen auf niedrigem Niveau stabilisieren. „Es ist doch besser, die Koffer zu packen, als arbeitslos in der Lausitz zu bleiben.“ Einige Regionen in Westdeutschland hätten durch den Strukturwandel ebenfalls Bevölkerung in Größenordnungen an die Ballungsgebiete abgegeben.

Das Statistische Landesamt geht davon aus, dass die sächsische Bevölkerung bis zum Jahr 2020 um mehr als 550 000 Personen abnimmt. „Man muss bedenken, dass der Freistaat mit jedem Einwohner, der wegzieht, Zuwendungen vom Bund in Höhe von 2 400 Euro pro Jahr verliert“, sagte Heinz Eggert (CDU), Vorsitzender einer Landtags-Kommission, die sich mit den Auswirkungen der demografischen Entwicklung beschäftigt. „Es ist jetzt schon klar, dass wir wegen der Abwanderung bereits 2010 Probleme haben werden, alle Arbeitsplätze zu besetzen“, warnte Eggert.
Von Carsten Gäbel

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